Unterwegs in den Katakomben des Seins

von Dr. Diebels

Dichte Nebelschwaden züngelten am Villacher Becken und gaukelten uns einen trüben Herbsttag vor. Wie immer aber ließ unser Entdeckerdrang keinen Raum für Zweifel und so machten wir uns am frühen Morgen des 28. Oktobers 2014 wieder einmal auf, um in der Einsamkeit des Friauls nach dem Sinn des Lebens zu fahnden. Ziel unseres Ausflugs war erneut das Val Dogna, ein kleines, enges und kaum besiedeltes Seitental des Kanaltals…
Kaum in Italien angekommen, begrüßte uns ein strahlend blauer Himmel, der uns den ganzen Tag über treu begleiten sollte. Die Straße, ein Relikt des Ersten Weltkrieges, führte uns schließlich mitten hinein in den Kessel vermeintlicher Abgeschiedenheit. Knapp 20 km Weg und geschätzte 1000 Höhenmeter lagen vor uns, als wir das Auto verließen und uns aufmachten in den Schatten der mächtigen Bergflanken. Je weiter wir in die wilde Natur dieser Bergwelt vordrangen, umso mehr zog sich auch der Alltag aus unseren Gedanken zurück und machte Platz für einen Blick in die eigene Seele. Fantasien, Wünsche und Ideen bahnten sich ihren Weg an die Oberfläche und faszinierten uns wieder einmal durch Ihr hohes Maß an Übereinstimmung. Äußerlich betrachtet scheinbar in unterschiedlichen Welten lebend, sind es wohl gerade solche Ausflüge, die bewusst machen, wie ähnlich man sich sein kann, wenn man sich aufmacht in die Katakomben des Seins. Das Val Dogna, vermeintlich abstammend vom slawischen Dolina, was soviel heißt wie Trichter, bot hier offensichtlich ideale Voraussetzungen. Aber auch die Höhenmeter hinterließen ihre Spuren vor allem natürlich beim Flachlandtiroler, so dass dieser Tag nicht nur in dessen Gedanken hängen blieb. Nachdem ein Großteil jedweder medizinischer Vernunft im Auto geblieben war, trieb uns die Neugierde weiter und weiter den Berg hinauf bis hin zu 0° Grenze, die an diesem Tag irgendwo zwischen 1400 und 1500m lag. Belohnt wurden wir dann auf halber Strecke mit einem atemberaubend schönen Blick auf die slowenische Bergwelt. Eine Hütte auf der Passhöhe und eine Bank in der Sonne blieben indes eine Momentaufnahme. Nicht genug, dass das Ganze nur 2 Minuten später im Schatten lag, bemühte sich der Hüttenwirt redlich, einen so ungastlichen Eindruck, wie nur möglich, zu hinterlassen. So vertagten wir die eigentlich anstehende Pause, überquerten den Scheitelpunkt unserer Wanderung und begannen den Abstieg zurück in die Sonne. Unerfreulicherweise wartete dort zumindest für einen kurzen Moment aber die Zivilisation auf uns. Kaum nämlich hatte ich meinen Wegbegleiter auf die fantastische Stille unseres Rastplatzes aufmerksam gemacht, als mein Handy mich unsanft, wenn auch mit Bachs Toccata zurück in die Realität holte. Wenigstens war die Nachricht eine erfreuliche, so dass wir dann unseren Weg gut gelaunt fortsetzen konnten. In ungezählten Kurven schlängelte sich die Straße abwärts und vorbei an dem ein oder anderen monumentalen Überrest der beiden Weltkriege. Ein Kontrast zu den sonstigen Eindrücken dieses Tages, wie er kaum größer hätte sein können, und ein weiterer Beleg dafür, dass das Joch der Zivilisation unserer Zeit trotz allem ein relatives ist. Nach gut 7 Stunden wieder am Auto ankommend, begrüßte uns bereits der Mond, der scheinbar gerade auf einem Bergrücken Pause machte und mahnte uns, dass es Zeit sei, den Heimweg anzutreten. Überflüssig zu erwähnen, dass uns auf der weiteren Abfahrt bis zur Bundesstraße kein einziges Auto entgegenkam, genauso wenig, wie uns am gesamten Tag auch nur ein einziger Wanderer begegnet wäre. Wenn es so etwas wie eine vierte Dimension gibt, dann finde ich diese immer wieder auf meinen Wanderungen mit meinem Bruder im Geiste in den letzten Tälern des Friaul. Unsere Gespräche, die regelmäßig philosophische wie physikalische Überlegungen und Gesetzmäßigkeiten ad absurdum führen, bleiben natürlich streng geheim. Wer allerdings Interesse hat, all das zu erleben, was in diesem Text nicht steht, kann sich bewerben. Wo? Natürlich bei sich selbst und frei nach Lindenberg unter dem Motto „Eigentlich bin ich ganz anders, ich komm´ nur viel zu selten dazu.” Ich für meinen Teil freue mich jetzt schon auf das nächste Mal.

90 IST VIEL MEHR ALS 100

(Mit dem Psychiater im Val Dogna)

von Hansi Mikl

Weil der herkömmliche Wellness-Herbsturlaub des forensischen Psychiaters die geringe Chance auf Beinehochlegen in ausgewiesenen Wohlfühlwelten zumindest diesmal längst verspielt hat, habe ich mir schon vor längerer Zeit melancholisch hochwertige, fast menschenleere Touren an entlegene Orte als Sonderform einer Urlaubstherapie ausgedacht. Im Ernst: Ist es nicht irgendwie ziemlich merkwürdig, dass sich ziemlich viele Erholungssuchende für ziemlich viel Geld gleichzeitig in die deshalb ziemlich überfüllten Ruhezonen sogenannter Wellness-Oasen flüchten, um dort Ruhe zu finden ? Das verstehe, wer will….

Auf unserem Speisezettel steht diesmal das Val Dogna im benachbarten Friaul. Was dort garantiert scheint, sind Abgeschiedenheit und Stille, denn im Val Dogna befindet sich der Mensch auf dem geordneten Rückzug. In diesem Tal gibt es nur steile Hänge, an denen zumindest auf der sonnigen Nordseite noch einige wenige alte Weiler mit so fremdartigen Namen wie Chiout di Puppe, Chiout di Gus, Mincigos, Chiout Zucuin oder Pleziche kleben. Einzige und letzte Lebensader ist eine fast 20 Kilometer lange, abenteuerliche Bergstraße, die ihre Entstehung den brachialen Kampfhandlungen des 1. Weltkriegs verdankt. Am tiefsten Punkt kämpft sich der Torrente Dogna verbissen durch ildefonsoartige Gesteinsschichten, während ihm die dauernde Erosion

ständig neue Zusatz-Arbeit beschert. Darüber meist senkrechte, spektakuläre Nordwände. Melancholie- und Gänsehaut-Garantie auf ganz hohem Niveau.

Leicht verspätet starten wir in einen jahreszeitlich klar akzentuierten nebelgrauen Morgen und bunkern unterwegs schnell und traditionell bei Billa Reiseproviant. Die Autobahn bringt uns rasch nach Tarvisio, von dort geht es auf der alten Bundesstraße weiter, ab Valbruna  strahlt als willkommene Stimmungsaufhellerin die späte Oktobersonne von einem wolkenlosen, stahlblauen Himmel. Das milde Herbstlicht schönt die mitunter etwas trostlosen Ortschaften im Canal del Ferro ein wenig, auch Dogna hat zwar selten gute, aber garantiert schon bessere Zeiten erlebt. Von den einst 18 Ortschaften der Gemeinde sind gerade noch 12 bewohnt, die Zahl der Einwohner ist von früher 1500 dramatisch auf aktuell 220 gesunken. Die Jungen wandern in Ermangelung von Arbeitsplätzen und Perspektiven ab, die Alten halten auf kleiner Flamme und verlorenem Posten die Stellung.

Bald schon kämpft sich der Citroen über die Serpentinen der Bergstraße talaufwärts. Unterwegs bereits bekommt man auf Anhieb eine leise Ahnung davon, dass die Ruhe hier schon ewig lange beheimatet ist. Lediglich zwischen 1915 und 1918 dürfte es ausnahmsweise ziemlich laut gewesen sein. Die historischen Fakten werden bei unserer Ankunft in Chiout gleich mit den noch immer beeindruckenden Überresten einer (Material)Seilbahn aus diesen Tagen massiv untermauert. Wir parken fast notgedrungen unter den riesigen Betonpfeilern direkt über den Dächern des Dörfchens, sichten das Kartenmaterial und machen uns dann auf den Weg in Richtung Pleziche. Zunächst geht es komfortabel auf Asphalt bergab, nach einer kleinen Brücke über den Rio della Forchia geht es wieder mit leichter Steigung bergauf nach Pleziche. In dieser überschaubaren Häuseransammlung treffen wir einander buongiornowünschend einen alten Mann und eine freundliche schwarze Katze (damit wäre diesmal die traditionelle Rubrik „Des Doktors Faible für italienische Frauen” bereits früh am Tag aufgearbeitet), ehe es über einen schmalen Pfad endlich in die Wildnis geht. Ein klares Verbotsschild stellt weder theoretisch, noch praktisch ein nennenswertes Hindernis dar. In einem hellen Kiefernwäldchen stoßen wir auf Ruinen, deren Lage, Sinn und Hintergrund sich kaum ergründen lässt. Den tiefsten Punkt der Reise erreichen wir am und mit dem Torrente Dogna. Von nun an geht es andauernd bergauf, der zunächst erfreulich geländegängige Eindruck endet aber leider auf einer geräumigen Forststraße, die der Tour zumindest auf diesem Teilstück den Stempel einer gemütlichen Altherrenwanderung verpasst. Immerhin erlaubt die folgende Etappe nicht nur die verbale Weiterarbeit an unserem Buch „90 ist mehr als 100″, sondern auch mehr oder weniger heitere Gespräche, die durchwegs mit offenem Visier geführt werden. Gott, die Welt, die Frauen, die Kinder, die Ehe, die Menschen, die Leute und der Fußball in Theorie und Praxis. Ohne jegliche Adrenalinausschüttung überqueren wir den gerade sehr harmlosen Rio di Montasio, schlendern an einem kleinen Hochmoor vorbei und könnten schließlich auf Höhe von Plan dei Spadovai über den hier bereits ausgetrockneten Torrente Dogna zur Bergstraße auf die gegenüberliegende Talseite wechseln.

Weil aber in der Karte weiter oben auf 1440 Metern ein kleiner Bergsee eingezeichnet ist, schlägt der Psychiater dringend vor, die längst fällige Pause doch besser dort an dessen Ufer in der frühen Nachmittagssonne zu absolvieren. Warum auch nicht. Ein Stück weiter endet endlich die bequeme Forststraße und in einem steilen Pfad endet unvermutet die unerträgliche Leichtigkeit des schweißfreien Wanderns in den Mühen einer Bergtour. In etlichen Windungen geht es parallell zu einem wilden Graben böse 200 Höhenmeter anstrengend bergauf, bis wir schließlich diesen Graben queren und uns in einem fast mystischen, bereits unbelaubten Buchenwald wiederfinden, welcher sich schon bald zu einer Lichtung öffnet. Diese erweist sich mit ansatzweisen Schützengräben und einer brüchigen Bunkeranlage am Gegenhang als nicht ganz natürlich und auch die Seifenblase der sonnigen Rast am „il Laghetto” zerplatzt dann lautlos: Der fiktive See ist fast zur Gänze verlandet !!!!

Notgedrungen kriechen wir gequält lächelnd auf dem Zahnfleisch in Richtung Rifugio Fratelli Grego weiter, einer  Schutzhütte, wenigstens relativ in der Nähe auf 1389 Meter Seehöhe. Der erste Eindruck entschädigt für den Umweg: Traumhaftes Bergpanorama vor einer sonnenüberfluteten, völlig menschenleeren Südterrasse !!!! Das Fallenlassen in den erstbesten Sessel an der Hüttenwand und das instinktive Öffnen des Rucksacks zählt noch zum ersten Eindruck.

 

Schon keine Minute später hält mit dem zweiten Eindruck der urbane Alltag Einzug. Der Psychiater läuft dem einwinternden, einsamen Hüttenwirten in die Arme, der gruß- und wortlos mit eisigem Blick den dringenden Ratschlag: Haut ab !!!!….erteilt. Erschwerend zur frostigen Gastfreundschaft kommt das praktisch gleichzeitige Verschwinden der Sonne hinterm Torre Amalia hinzu. Die Sonnenterrasse wird sofort zum Kühlschrank.

Erneut verschieben wir die Pause nach hinten und stiefeln weiter zur Sella di Sompdogna. Dort campieren wir, weil temperaturmäßig eine feine Sache, auf einer sonnigen Anhöhe in der Nähe eines Denkmals, erkennen dankbar den grundsätzlichen Wert von gefüllten Rucksäcken und darüber hinaus das belebende Innehalten in so absoluter Stille. Diesen Umstand unterstreicht der Psychiater doppelt, indem er  die Frage „Hörst du was ?” mit der einzig möglichen Antwort „Du hörst NICHTS !!! Gar NICHTS !!!!” kontert. Null Dezibel, wenn man so will. Doch ehe die absolute Stille auf der Sella di Sompdogna das Tor zu neuen Gedanken vorsichtig öffnen kann…klingelt auch schon des Doktors Smartphone lautstark mit einem mutmaßlichen Requiem von Bach. „Hallo Herr Graf”, Terminabsprachen mit mindestens 40-50 Dezibel demolieren die stille Idylle. So entstehen also Anekdoten.

Nach dem Telefonat kehrt zwar die Stille zurück, aber die Ruhe ist weg, weil die Zeit wird knapp. Vor  uns liegen gut und gerne 10 Kilometer auf asphaltierter Bergstraße zurück hinunter nach Chiout. Zeitmanagementmäßig bleiben fast drei Stunden bis Einbruch der Dunkelheit. Das klingt zwar relativ komfortabel, aber weil der Weg mit seinen vielen Highlights auch als Ziel herhalten wird, schultern wir entschlossen die Rucksäcke. Bis nach Plan dei Spadovai jagt eine Serpentine die andere, dafür laufen wir ausschließlich in der milden Nachmittagssonne vor attraktiven Bergpanoramen und diskutieren dabei munter weitere (un)wichtige Themen, die beim Aufstieg irgendwie auf der Strecke geblieben sind. Wir können ungezwungen über die Beschleunigung und zunehmende Banalisierung der Gesellschaft mit ihren Facebookern und Twittern spotten, bemühen uns aber weiterhin, nicht in die Speichen dieser digitalen Laufräder zu geraten. In Plan dei Spadovai selbst finden sich trotzdem wenige Gründe, die einen längeren Aufenthalt rechtfertigen. Die Straßenführung bleibt spannend-interessant, nach einem Tunnel stoßen wir hinter der nächsten Kurve auf eine riesige Anlage aus Bunkern und Schützengräben und die Ruinen des Villaggio di Guerra aus dem ersten Weltkrieg. Wir nehmen ob der Ausmaße nur den untersten Bereich in Augenschein, schon diese eindringlichen 20 Minuten hinterlassen ein flaues Gefühl in der Magengegend und regen die Zentrale für Nachdenklichkeit im Großhirn eindringlich zur kritischen Weiterarbeit an. Fast ein wenig unheimlich gestaltet sich der abschließende Besuch einer unterirdischen Kaverne. Die Gänsehaut verschwindet erst nach einigen Minuten in der Abendsonne. Ehe sich die Wärmelieferantin anschickt, im Westen zu versinken, taucht sie zum Abschied noch einmal die höchsten Bergspitzen in  fast unwirkliches Licht. Ganz großes Kino.

Merklich kühler geht es vor bleigrauer Bergkulisse weiter bergab. Vergangenheit und Zukunft sind mindestens ähnlich unzugänglich wie das Terrain links und rechts von der kühnen Bergstraße, selbst das Anlegen eines bescheidenen Gemüsegärtchens erfordert aufwändige Steinmauern. Ein waagrechtes Fußballfeld im Val Dogna wird wohl immer eine Illusion bleiben. Aber auch ohne Fußball spielt man ständig gegen den Abstieg. Wer hier nicht kämpft, hat schon vorher verloren und unklar bleibt, ob sich der Kampf jemals lohnen kann. Man wandert an verlassenen alten Häusern vorbei und sieht, wie der Wald sich einstige Kulturflächen zurückholt – ein gewohntes Bild in den abgelegenen Gegenden Friauls. Wir gehen und das Vergehen am Wegesrand inspiriert ein wenig zu so 08/15-Standardfragen….wie: Woher kommen wir ? Wohin gehen wir ? Und ab Mitte Vierzig: Wie sehen wir dabei aus ?

Wir kommen aus Chiout und wir gehen nach Chiout zurück, keine Frage. Klar ist außerdem: Wir sehen garantiert müde aus, denn das Tagespensum auf den Schuhsohlen wird langsam, aber doch deutlich spürbar. Dr. Rücken diagnostiziert gewohnt trocken die aktuellen Problemzonen. Als wir schließlich und endlich in Chiout eintrudeln, hat die Dämmerung den Ort schon sanft in ihre Arme geschlossen. Kein Mensch zu sehen, kein Geräusch, keine Spur von Leben, kein beleuchtetes Fenster, lediglich zwei Straßenlaternen erhellen spärlich den einsam wartenden Citroen. Auf einer nahen Bank vernichten wir unsere allerletzten Vorräte und genießen in vollen Zügen eine grandiose Inszenierung, die lange in Erinnerung bleiben wird:

Unter uns die dunklen Fassaden von Chiout, dahinter die tiefschwarzen Wälder, darüber in verschiedenen Grauschattierungen die oft angesprochenen spektakulären Nordwände, an denen man sich unmöglich sattsehen kann. Zusätzlich zu allem optischen Überfluss klettert jetzt auch noch die helle Sichel des zunehmenden Mondes über die höchsten Grate. Atemberaubend schön.

Lebensgefühl kann man nicht kaufen. Oft liegt es einfach kostenlos am Wegesrand.

Obwohl er ihn nicht äußert…. hätte der Forensiker bestimmt noch mindestens einen Verbesserungsvorschlag für den Heimweg:

https://www.youtube.com/watch?v=CQv_CJEgLU0

Bei allem Respekt, mein Freund. Diesmal bin ich der Disc-Jockey:

https://www.youtube.com/watch?v=0kxk11D-mpY

Geheimnisumwitterte, sagenumwobene Arbeitsplätze in der Umgebung Teil II – Der Wauberg, seine Luftschlösser und seine Grabräuber

Von Hansi Mikl

Betrachtet man die Lage ganz nüchtern vom geologischen Standpunkt aus, so befindet sich Petschnitzen bzw. die „Bucht von Petschnitzen” in den allerwestlichsten Ausläufern des sogenannten „Mittelkärntner Triaszuges”, einer auf den ersten Blick gar nicht so spektakulären Kuppenlandschaft, die sich vom Faaker See ohne wesentliche Unterbrechungen bis zum Keutschacher See erstreckt. Besonders reizvoll, weil noch unverschämt ursprünglich und eher unerschlossen ist dabei …
…das wilde Tabor-Wauberg-Rudnik-Bleiberg-Hügelland, welches die „Petschnitzner Bucht” tiefbewaldet in die Zange nimmt und darüber hinaus zwischen den genannten Karstinselbergen eine Vielzahl unbenannter, aber ebenso steilhängiger und unwegsamer Kuppen aufweist. Wer die Gegend erstmals bequem mit „Google Earth” bereist, wird nicht gleich begeistert vom Stuhl fallen, aber wer, wie ich, ihre Brüche und Tiefen lebenslang aus nächster Nähe kennt, der hat eine Menge zu erzählen.Der Tabor und seine bis zu 100 Meter starke Konglomerattafel ( incl. weiser Frauen und erodierter Höhlen) wurde bereits in Teil 1 Opfer meiner Tastatur. In der Fortsetzung besuchen wir jetzt seinen unmittelbaren Nachbarn, den Wauberg. 689 Meter hoch, ein „in ziemlich scharfer Form herauspräparierter Kegelberg, der in den Niederungen der Drau fußt”. Rein fachgeologisch wäre jetzt zwar alles gesagt, aber meine Beziehungen zu diesem Berg gehen tiefer als der Triasdolomit, aus dem er besteht, denn sowohl die steile Südwestseite, als auch das Gipfelplateau befinden sich seit vielen Generationen im Besitz unserer Familie.

Als Kind schon hörte ich deshalb ziemlich lückenhafte, aber zumindest spannende Geschichten von einer längst vergangenen mittelalterlichen Burg auf dem Gipfel des Waubergs. Der Wahrheitsgehalt dieser Überlieferungen sank leider im Laufe der Zeit und mit zunehmendem Alter kontinuierlich von „aha, spannend” und „höchstwahrscheinlich” langsam hinunter zu „vielleicht” und weiter bis in die Niederungen von „völlig unwahrscheinlich”. Von Eroberung und Zerstörung war jedenfalls die Rede, von dunklen Geheimgängen und verborgenen Schätzen. Im Prinzip also die gängigen 08/15-Standardfloskeln, die sich um so ziemlich jedes verfallene Gemäuer ranken. Last but not least gab es sogar eine Wauberg-Sage, die es trotz furchtbar dünner Handlung bis in eine Druckerei und in weiterer Folge sogar in ein Buch schaffte. Daran kann man erkennen, wie das Unwissen die Kindheit bereichert und die Unkenntnis über detaillierte Zusammenhänge den frühen Lebensabschnitt unkompliziert macht – von entfesselnder „Erzählkunst” ganz abgesehen. Aber lesen sie die ungeschnittene, unzensierte Version (auf eigene Gefahr !!!!) selbst:

„In einiger Entfernung nordöstlich vom Faaker See liegt der Wauberg, im Volksmund nennt man ihn auch Schloßberg. Auf ihm stand einst ein Schloß, in welchem vor Jahrhunderten Raubritter gehaust haben sollen. Heute noch wird uns darüber bei den Leuten folgendes erzählt:

Eine Bäuerin aus der Gegend von Petschnitzen weidete einst auf dem Wauberg ihre Kühe. Vom Erzählen her wusste sie, dass dort ein Schatz vergraben sein soll. Die Frau kam der Anhöhe des Berges näher und gewahrte dabei die Mauerreste des einstigen Schlosses. Wie sie aber so an den vergrabenen Schatz dachte, der da liegen soll, kam es ihr plötzlich vor, als sei ihr jemand nachgefolgt. Als sich die Frau umdrehte, stand tatsächlich eine Mannsgestalt in Ritterkleidung vor ihr und dahinter folgte eine schwarz verhüllte Frau. Die Kuhhüterin erschrak nicht wenig und wollte fortlaufen. Aber sie wurde vom Ritter angesprochen: „Fürchte dich nicht ! Wir sind die Letzten vom Geschlecht, das auf dieser Burg gehaust hat. Wir werden erst Ruhe finden, wenn der Schatz gehoben ist, der im Keller dieses versunkenen Schlosses verborgen liegt”. Dabei zeigte er auf eine bestimmte Stelle des unheimlichen Ortes.

Die Bäuerin sah nach dem angedeuteten Platz und wollte sich wieder nach den beiden Gestalten kehren, da war von den beiden nichts mehr zu sehen. Sie glaubte an eine Begegnung mit Gespenstern und erzählte alles ihrem Bauer daheim.

Dieser war ein geldgieriger Mann und alsbald entschlossen, nach dem verborgenen Schatz zu graben. Und als er wirklich auf den Wauberg ging und an dem Schatzort zu graben anhub, hörte er plötzlich hinter sich Schritte. Als der Mann um sich schaute, wer ihm wohl folgte, bemerkte er nur, wie sich das Gras und die Blätter auf dem Boden bewegten, aber er konnte niemanden sehen. Da bekam er es jählings mit der Angst zu tun und lief über Stock und Stein davon. Dabei hörte er immer noch ein Rascheln auf dem Boden hinter sich her, als ob jemand folgen würde. So schnell er konnte, lief er nach Hause und sagte keinem Menschen, was er erlebt hatte.

Seither hat es keiner mehr gewagt, auf dem Wauberg nach dem verborgenen Schatz zu graben.”

Na ja.

Besonders dick wurde außerdem der romantische „Burgteich” aufgetragen, in dem sich angeblich die feinen, keuschheitsbegürtelten Burgdamen vergnügten, begeistert begleitet von edlen Rittern, während am Ufer in einer efeuumrankten Pergola drittklassige Minnesänger konzertierten. Dieser sagenhafte „Burgteich” existiert tatsächlich, allerdings ist er jährlich an ca. 350 Tagen staubtrocken und füllt sich lediglich zu Zeiten starker Schneeschmelze oder intensiver Regenfälle mit eiskaltem bzw. kaltem, und deshalb nur bedingt badetauglichem Wasser.

Mag ja sein, dass die Frauenwelt um 1300 so gänzlich ohne Bipa und DM, ohne Wellness und Anti-Aging, ohne Krankenkassen und Antibiotika, noch nicht so anspruchsvoll und relativ abgehärtet war, aber es waren wohl kaum tiefgekühlte Eskimodamen mit dem leichtsinnigen Hang zur todesmutigen Körperpflege.

Ich hörte deshalb zwar aufmerksam zu, blieb aber grundsätzlich skeptisch. Nicht nur, weil die jeweiligen Erzähler bei detaillierter Fragestellung schon bald den argumentativen Hinterausgang nahmen, sondern weil von der angeblichen „mittelalterlichen Burg” nicht nur sehr nur wenig, sondern eigentlich gar nichts mehr übrig ist. So ehrlich muss man schon sein. In einer Vertiefung auf dem eher kleinflächigen Gipfelareal finden sich (aber nur, wenn man sie sucht) mit Müh und Not eher dürftige, zisternenartige Mauerreste. Eine fragwürdige und in die Jahre gekommene Hinweistafel informiert den kurzweiligen Wanderer zwar im Brustton der Überzeugung und mit der Kompetenz des geschriebenen Wortes über die Einnahme (dh Zerstörung) der Burg hier an dieser Stelle im Jahre des Herrn 1521.

Soweit so gut. Aber – WO ist die angebliche Burg denn dann geblieben ????. Selbst wenn die arme Bauernschaft der Umgebung die Ruine ab 1521 als naheliegendes und preiswertes Baustoffdepot geplündert haben sollte – so ganz und gar und vollkommen in Luft kann sie sich trotzdem kaum aufgelöst haben. Möglicherweise ist die angebliche Burg lediglich ein Luftschloss ?.

Sicher ist immerhin: Der Gipfel des Waubergs ist ein starker energetischer Punkt, ein sogenannter Kraftort. Dort befinden sich zusätzlich auch spärliche, kaum erkennbare Reste menschlicher Existenz.

Weil aber bislang noch kein Archäologe Schaufel und Spaten in die Hand genommen hat, bleiben die oberflächlichen Diagnosen der Historiker bei einer abenteuerlichen Bandbreite mit unsicherer Trefferquote:

Manche vermuten auf dem Wauberg die Reste eines „nicht ausgegrabenen, im Gelände erkennbaren” langobardischen Kastells. Andere bevorzugen die Variante einer „kleinen, nicht mittelalterlichen Festungsanlage, welche den Drauübergang zu bewachen hatte”. Dritte glauben an die alten Römer als Schöpfer der Mauerspuren. Ich persönlich würde unbedingt noch die Illyrer oder noch lieber die Kelten mit ins Boot holen.

Für ein antikes Heiligtum bzw. eine vorantike Kultstätte sprechen zumindest die Funde.

1937 fand man neben Keramikresten auch ein Sigillata-Bruchstück. 1947 tauchte im Westhang endjungsteinzeitliche Keramik auf und im Gipfelbereich das Limesfalsum eines Asses aus der Zeit von Caracalla (ca. 211 n. Chr). Ich fand dort immer eine ganze Menge Waldarbeit, weil die uralten Föhren auf dem felsigen Terrain irgendwann das Handtuch werfen. Ich fand außerdem rostige Getränkedosen, absolute Ruhe und obendrein eine passable Aussicht. Vergangenheitsbewältigungsmäßig nicht wirklich aufschlussreich.

Ende der 1990er Jahre kratzte ich deshalb, unzureichend bewaffnet mit einer Schaufel, und mit einem Bekannten und dessen Metalldetektor ein wenig unter der Oberfläche herum. Der Zeit- und Arbeitsaufwand war gering, noch dürftiger war das Ergebnis…..ein paar alte Nägel, neuzeitliche Patronenhülsen und eine Pfeilspitze. Weil der Metalldetektorpilot den relativen Reinfall trotzdem an die große Glocke hängte, mutierte die klitzekleine Mücke bald zum übergewichtigen Elefanten. Die Aktion erfüllte, weil nicht nur bekannt geworden, sondern sogar schriftlich dokumentiert….. den akuten Tatbestand der Grabräuberei. Folgerichtig kam es in dieser Angelegenheit zu einer behördlichen Anklage und meine Visitenkarte erweiterte sich automatisch um die in unseren Breiten bestimmt nicht ganz alltägliche Berufsbezeichnung „Grabräuber”. (Zugegeben: Es gibt Geschichten, die zwar wahr sind, die aber trotzdem nicht zum Andiegroßeglockehängen taugen- also erzählen Sie´s nicht unbedingt weiter ;). Jedenfalls: Weil die verwaltungsbehördlichen Scharfrichter wegen einer Handvoll Alteisen im Zweifelsfall bei verhältnismäßig unbescholtenen steuerzahlenden Staatsbürgern auch zu sanften, fast antiautoritären Erziehungsmethoden greifen, kam ich bei der mündlichen Verhandlung mit einer strengen Ermahnung davon. Seither bin ich zwar bemüht, meine regionalgeschichtliche Neugier gesetzeskonform auszuleben, aber die offenen Fragen bleiben natürlich weiterhin unbeantwortet.

Sieht also ganz so aus, als würde sich das Abonnement des Dornröschenschlafes, in dem der Berg seit einer halben Ewigkeit versunken scheint, um ein paar weitere Perioden verlängern. Was zwar unbedingt meiner Vorstellung von sanftem Tourismus entspricht, aber: Seine Rätsel in Form von Stein, Keramik und Metall liegen vorerst gut behütet tief und unter den Wurzeln der knorrigen Kiefern verborgen und warten geduldig auf möglicherweise zukünftige Enträtselung.

Für den Ruhesuchenden jedenfalls bleibt der Wauberg weiterhin ein lohnendes Ziel, weil er ein wirklich stilles Örtchen ist. Obwohl man in einer Tourismusregion unterwegs ist, begegnet man dort oben nur in ganz seltenen Ausnahmefällen einer Menschenseele. Der spezielle Reiz an einer Wanderung dorthin besteht also in der fast vollkommenen Ungestörtheit (vom Wind in den Baumkronen und gelegentlichem Vogelgezwitscher vielleicht abgesehen), in der man sich – nicht zuletzt wegen der Steilheit des Geländes – bereits nach wenigen Schritten wiederfindet. Kurzatmige werden unterwegs mitten im Hang eine blutdrucksenkende Bank finden, deren Aussicht im Laufe der Jahre leider hoffnungslos zugewachsen ist. Letzte Ausreden im Schweiße des Angesichts entkräftet anschließend ein Stahlseil als willkommene Aufstiegshilfe für schlechte Tage und fortgeschrittenes Alter.

IM SCHLAFSACK MIT DER RELATIVEN STILLE & DER VERHÄLTNISMÄSSIGEN DUNKELHEIT

Von Hansi Mikl

Eine harmlose Gewitterbank im Westen hinderte die Sonne am geplant spektakulären Untergang. Kurz und bündig, sparsam und humorlos verschwand sie spärlich in der Farbgestaltung und damit wenig fotogen hinterm Wolkenvorhang und überlies schnell der Dämmerung die Bühne. Dafür blies ein warmer, aber kräftiger Wind, der dem abendlichen Gipfelsieg am Mallestiger Mittagskogel den Beigeschmack einer Niederlage verlieh. Auf dem Rückweg zu unserem spartanischen Camp am höchsten Punkt des Berges überfiel uns bereits die Dunkelheit.

Hannes hatte sich in Begleitung seiner Kopfschmerzen schon längst in seinem Mumienschlafsack einbalsamiert und befand sich vielleicht auf halbem Weg ins Land der Träume. Durchgeschwitzte Kleidungsstücke, an Bäumen und Stöcken befestigt,  hatte der Wind längst aufgetrocknet und nun machte er sich dran, den gemütlichen Abend ungemütlich zu gestalten. Mit zunehmender Windintensität war an lauschige Gespräche mit attraktiven Aussichten beim allerbesten Willen nicht mehr zu denken. Während sich die Dämmerung konsequent zur Nacht verdichtete, wurden die Lichter im Tal zahlreicher und der Himmel begann sich zunehmend mit Sternen zu füllen. In den umliegenden Schlafsäcken raschelte es bei der allgemeinen Suche nach einigermaßen erträglichen Liegepositionen, spärlich beleuchtet vom Schein einzelner Smart-Phones hielten manche Kontakt zur Außenwelt unten im Tal oder irgendwo hinter den Bergen, andere berieselten sich mit Musik, sammelten nützliche oder unnütze Informationen, aus allen Richtungen wehten einzelne Gesprächsfetzen heran.

Übernachtungs-Bergtouren völlig „unplugged” sind für Otto Normalverbraucher bestimmt eine Gratwanderung auf den Sehnsüchten, die unweigerlich damit verbunden sind, aber gleichsam die logische Fortsetzung unserer „Dunkelheit & Stille-Workshops”, denn auch Nachtausritte, Polana-Lichter und Nachtwanderungen widmen sich derselben Thematik. Oft erblicken Teilnehmer die ersten Glühwürmchen ihres Lebens, gruseln sich beim Ruf eines Käuzchens, und wundern sich, wie man selbst durch völlige Nachtschwärze von A nach B gelangen kann. In unserem grellen Zeitalter zählen die Dunkelheit und die Stille längst zu den gefährdeten Bewusstseinszuständen: 99 % der Europäer leben unter einem verschmutzten Nachthimmel, die nächtliche Helligkeit in den Großstädten ist mittlerweile 1570mal stärker, als das natürliche Nachthimmelslicht (diese Zahlen haben ziemlich aktuell Astrophysiker der Wiener Universität errechnet). Waren einst 2500 Sterne mit freiem Auge erkennbar, so sind es heutzutage gerade noch 300. Ganz davon abgesehen wird das Ruhe-Hormon Melatonin (ein wesentlicher Baustein des tiefen Schlafes) vom Körper nur bei Finsternis gebildet. Auch aus dieser Perspektive betrachtet sind Übernachtungen in exponierter Höhenlage ein hautnaher Selbsterfahrungstrip in die natürliche Normalität. Der Ausflug in die nächtliche Bergeinsamkeit sollte außerdem unbedingt Romantik und Abenteuer beinhalten, Erfolgserlebnisse liefern, Begegnungen mit freundlichen Eingeborenen ermöglichen, hautnahe Naturerfahrungen oder wenigstens lohnende Fotomotive bereitstellen, neue Fertigkeiten in schwierigem Gelände erlernen , und…und…und. Damit wird die freudige Erwartungs-Seite einer solchen Veranstaltung bereits im Vorfeld viel zu schwer beladen (wie zB Björns Rucksack im Juli)und die Bergtour läuft unnötig Gefahr…zu einer bösen Überraschung zu werden, weil sie IMMER auch anstrengend, steinig, windig und ungemütlich sein muss, denn eine Bergtour mit 2000 Höhenmetern ist halt kein lauschiger Sonntagvormittagsspaziergang. Insofern ist der allgemeine Hype vor einer Übernachtungstour eher kontraproduktiv, ähnlich wie bei der Ehe oder der Silvesterparty. Ziemlich schwer abzuschätzen also, was den anderen zeitgleich in ihren Schlafsäcken durch den Kopf ging. Es könnte –reine Mutmaßung – ungefähr so gewesen sein:

Martin hoffte, dass die Gewitterwolken weit im Westen bleiben und alle Bären und Wölfe der Karawanken satt und zufrieden und noch weiter weg sein würden.

Jaqueline dachte über die baldige Anschaffung eines Doppel-Schlafsacks nach, der geräumig genug sein könnte, um auch Herbert darin unterzubringen.

Jaqueline formulierte aber auch wortlos ihre morgigen Reiseziele und hoffte insgeheim tief und innig, dass die Abgründe der kommende Berge nicht ganz so schwindelnd sein würden, wie ursprünglich befürchtet.

Jörg war in Gedanken ganz woanders, vielleicht auf youtube, aber noch nicht im großen Wagen.

Hannes übte lautlos, aber konzentriert in einem fiktiven Werbe-Jingle einen relativ unkomplizierten „Danke-Danke-Danke-Danke”-Refrain.

Lisa träumte, stets mit einem Finger am Auslöser ihrer Kamera ….vom bevorstehenden Sonnenaufgang.

Die Reitlehrerin überlegte, wie sie Bastian sinnvoll beschäftigen könnte.

Bastian fand sinnvoll unter diesen Umständen wenig sinnvoll, wenn nicht sogar langweilig.

Mariano entwarf Szenarien, wie er, ganz ohne Gerte, den Platz auf der Iso-Matte erobern könnte.

Ich persönlich jedenfalls empfand meine exponierte, smartphone-&handyfreie Lage nicht als akute Krisensituation und nütze die relative Stille und verhältnismäßige Dunkelheit meines Schlafsackbereiches, um einst angefangene Gedanken zu Ende zu denken, puzzleartige Ideen im freien Fall zu ganzen Projekten zu fügen oder ziemlich entspannt die Flugzeuge bei ihrer Reise von Norden nach Süden oder Westen nach Osten oder umgekehrt zu begleiten. Rechts sichelte der Mond über den Himmel, links schlief der Mittagskogel ein und Laurentius lud bereits sein Maschinengewehr durch. Ohne Smartphone nämlich kann ein alter, krisenerprobter Schlafsack ohne großen Aufwand zu einem engen, trotzdem gemütlichen und unverschämt privaten Selbsttherapieraum umfunktioniert werden. Man ist auf sich selbst reduziert und außerdem gezwungen, sich intensiv mit  Bereichen zu beschäftigen, mit denen man sonst seltener konfrontiert ist: Dem Universum und der eigenen, unverschämt winzigen Befindlichkeit darin!!!!

Liegt man also mitten in der Nacht irgendwo auf einem Berg und mutterseelenalleine in einem Schlafsack, sind die Möglichkeiten begrenzt. Selten wird einem klarer, dass sowohl Vergangenheit, als auch Zukunft und sogar die westliche Zivilisation im Augenblick absolut unzugängliche Orte sind und die Beweglichkeit auch in der Gegenwart ziemlich eingeschränkt ist. Entweder man versucht zu schlafen. Was möglicherweise vernünftig wäre, aber zum Problem wird, wenn man gar nicht müde ist, und selbst wenn man es wäre, würden die Eindrücke einer Sommernacht in den Bergen den denkenden Menschen erfolgreich am entspannten Einschlafen ruhigen Gewissens hindern. Also blieb mir gar nichts anderes übrig, als mich auf mich selbst zurückzuwerfen und die vergangenen Monate aus exponierter Perspektive Revue passieren zu lassen. Dabei kann ein bemerkenswerter Selbstreinigungsprozess entstehen, wenn man sich ehrlich mit den Dingen auseinandersetzt. Eigentlich hatte ich keine Muße, aber immerhin Zeit, um das reichhaltige Sortiment an bemerkenswerten und weniger bemerkenswerten Ereignissen, mit denen mich die letzten Monate großzügig versorgt hatten….relativ unaufgeregt unter die Lupe zu nehmen. Kanalisiert man jedoch die wilde Flut chronologisch und ruhig in überschaubares Fahrwasser, erkennt man am Ende sogar irgendeinen Sinn darin. Auf die Idee wäre ich sonst wohl kaum gekommen. Jedenfalls bedankte ich mich bereits mitten in der Analyse überaus herzlich bei meinem Körper für die gute Mitarbeit, entschuldigte mich für die übertriebene Beanspruchung und nahm mir fest vor, meine Erwartungshaltungen an Jahreszeiten, Arbeitsprogramme, Ehen, Bergtouren und Silvesterparties zukünftig etwas herunterzuschrauben.

Mariano hingegen war es – richtig gemutmaßt – in unserer Mulde bald zu ruhig. Er nütze mit siegender Frechheit und ohne mit der Wimper zu zucken….eine Lücke zwischen Bastian und der Reitlehrerin. Der neugewonnene Standort bot liegekomfortmäßig mit der anvisierten dicken Iso-Matte eine deutliche Liegekomfort-Verbesserung und die kurzerhand delogierte Hippologin begab sich zwangsläufig auf Boxensuche. Weil wir uns jetzt beide offensichtlich recht allein auf der windigen Bergwelt fühlten, gewährte ich ihr nicht ganz uneigennützig umgehend Asyl. Für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation: Zu zweit füllten wir die Mulde exakt aus, meine Schlafposition verbesserte sich ergonomisch-anatomisch wesentlich und im Paket boten wir dem Wind weitaus weniger Angriffsfläche.

Nachdem wir es uns so gemütlich wie möglich eingerichtet und eine verhältnismäßig erträgliche Beobachtungsposition gefunden hatten, wurde es über uns richtig zauberhaft, denn nach einer kurzen Ruhephase ballerte Laurentius die ersten Sternschnuppen über den Nachthimmel. Gott sei Dank quälte mich in Anwesenheit der Reitlehrerin nicht mein Unwissen über die Zusammenhänge meiner (ganz offensichtlich falschen)Zügelhaltung mit dem globalen Klimawandel. Nicht immer kennt man als Mann die Hintergründe reitender Frauen. Dafür waren mir die Vordergründe ziemlich klar, weil die Reitlehrerin ganz offensichtlich mit einer hohen Dosis Grundehrgeiz ausgestattet ist. Dieser zeigt sich nicht nur bei Galoppaden auf der Achterbahn oder bei gemischten Doppeln an der Tischtennisplatte, sondern auch in vermeintlich neutralen nächtlichen Zonen auf über 1800 Metern Seehöhe. Schon nach fünf Minuten steigerte sich die vordergründig entspannte Beobachtung des himmlischen Feuerwerks zu einem stundenlangen Wettkampf mit wechselnder Führung. Dabei präsentierte sich die Milchstraße als kosmische Wunderautobahn ohne Verkehrsregeln, auf der Sternschnuppen in verschiedenen Größen und wechselnder Attraktivität nach dem Zufallsprinzip völlig unberechenbar um die Wette fuhren. Auch die Idee, den Himmel in Sektoren aufzuteilen und somit in allen sichtbaren Ecken auf die Jagd zu gehen, brachte fette Beute. Waren gerade keine Sternschnuppen zu sehen, konnte man Flugzeuge auf ihren nächtlichen Reisen begleiten, Satelliten beobachten oder den Mond bestaunen, der aber irgendwann im Westen hinter den Bergen versank. Zur weiteren Genusssteigerung strich ich eine Dose Gösser Naturradler aus der Inventarliste meines Rucksacks, um sie so brüderlich wie möglich mit der Reitlehrerin zu teilen. Als einziger Nachteil dieses kleinen nächtlichen Umtrunks erwies sich später der wirklich unwiderstehliche Drang des Naturradlers, wieder zurück in die Natur radeln zu wollen. Was zwar mitten in der Nacht mitten in der Natur kein schwerwiegendes logistisches Problem darstellt, aber nicht ganz bequem ist, weil man deshalb den warmen, gemütlichen Schlafsack unbedingt verlassen muss. Nicht unterschätzen sollte man bei stoffwechselbedingten Notwendigkeiten in der Dunkelheit ….den in dieser lauernden Fallenparcour aus Wurzeln, Ästen, Felsen und anderen Unebenheiten. Schon gar nicht, wenn man in Nordwandnähe unterwegs ist. Zurück im Schlafsack ging die Suche nach Sternschnuppen unvermindert weiter. Erst als ich die 70 als magische Grenze passiert hatte und die Uhr nur mehr sehr wenig Schlaf suggerierte, stellte ich meinen Grundehrgeiz unter jenen der Reitlehrerin und zog als hauchdünner ungefähr 71:73-Verlierer als Reißleine den Reißverschluss des Schlafsacks zu. Keine 3 Stunden später rumorten schon wie befürchtet Basti und Mariano im Morgengrauen und mir graute im unruhigen Halbschlaf vor der feuchten Kühle und den bleiernen Farben des Morgens, die mich garantiert erwarten würden, wenn ich es wagen sollte, die Augen und den Reißverschluss zu öffnen. Obwohl man diesen Moment wirklich gerne aus seinem Katalog für unangenehme Situationen streichen würde:

Irgendwann aber siegt die Neugier auf den neuen Tag und seine Herausforderungen. Die Nacht war zu kurz, aber bereits in der etwas mühsamen Aufwachphase gehe ich im Geiste unsere Route durch, weil die auf diese Weise geweckte Vorfreude oft der beste Muntermacher ist. Der Weg aus dem warmen Mikrokosmos des Schlafsacks zurück in den Alltag führt zunächst in die klamme Realität morgenbetauter Wanderschuhe. Und selbst wenn bald die Sonne aufgehen wird, mischt sich auch etwas Melancholie in den allgemeinen Optimismus der ersten Strahlen, denn man weiß nie so genau, wann, wo, wie, warum, unter welchen Umständen und mit wem man wieder in den Schlafsack zurückkehren wird.

DIE NACHT DER TAUSEND WÜNSCHE

Von Hannes Schönner

Dass bei Mikls was geboten wird, ist ja landauf, landab bekannt ! Doch bereits am zweiten Tag unserer Kärnten-Woche eine Bergtour mit Nächtigung am Schwarzen Brett zu lesen, ist ja schon ein starkes Stück !

Andererseits: Schwarzkogel und Mallestiger Mittagskogel von der Süd-Ost-Flanke (eine Erstbesteigung gewissermaßen !)…welcher Alpinist will diesen weißen Fleck nicht schließen ? Dass ein paar Expeditionsmitglieder zwar noch logistische Probleme lösen mussten (Schlafsäcke ! Hofer sei Dank !) feuerte die Euphorie nur zusätzlich an. Der Wettergott meinte es gut mit uns, verschob den Regen um einen Tag, sodass von höherer Stelle aus, dem angekündigten Sternschnuppen-Genuss dieser Nacht nichts im Wege stand.

Um 16:30, Montag, 12. August, begann für die Seilschaft, bestehend aus Hansi mit Sohn Mariano, Martin, Jörg, Jürgen mit Tochter Leonie, Jaqueline, Sabine mit Sohn Bastian, sowie Lisa (mit ihrem Vater Hannes) beim Baumgartner Parkplatz das Abenteuer ! (Die Szene erinnerte ein klein wenig ans Jungfrauenjoch in der Schweiz ….wegen des Parkplatzes !).

Der erste schweißtreibende Aufstieg war heftig und forderte nach einer Stunde das erste Opfer: Jürgen verschob sein Comeback aufs kommende Jahr und wählte für den Abstieg dieselbe Route. Die übrigen setzten bei schöner Abendstimmung den Aufstieg fort, erreichten über liebliche Quellen schließlich gegen 19 Uhr die Mitzl-Moitzl-Hütte, die früheren Expeditionen schon als nächtliches Basislager gedient hatte. Unser Ziel war und blieb aber der Mallestiger Mittagskogel und eine Nacht unterm Sternenzelt. Also weiter ! Nach weiteren 1,5 Stunden abwechslungsreichen Aufstiegs, währenddessen unter uns der Faaker See, Gerlitzen, Dobratsch und die Stadt Villach ein beeindruckendes Panorama boten, war der Gipfelsieg unser ! Ein toller Ausbklick auf ein tolles Stück Kärnten ! Ein Dank an Hansi !

Unweit des Gipfels auf 1800 m schlugen wir auf einer bemoosten Felskante unser Nachtlager auf. Jeder suchte sich eine Mulde, doch Plätze ohne Steine oder Wurzelzeug waren eher Mangelware. Selbst Druckstellen an den Fersen, Erschöpfung und Kopfweh konnten die wunderschönen „Eindrücke“(Jawohl ! Es drückte überall !!!) nicht trüben.

Gegen Mitternacht begann das himmlische Feuerwerk. Hansi zählte um die 70 Sternschnuppen, Sabine an die 80 ! Aber egal ! Wer hat denn schon so viele Wünsche in einer Nacht, in der sich doch jeder nach einem weichen Bett sehnt ? Aber in einem Bett liegt man jeden Tag ! Unter freiem Himmel eher selten. Keine Wolke verstellte das Sternenzelt und selbst ohne Sternschnuppen wären diese Nachtstunden viele Entbehrungen wert gewesen.

Die Nacht endete für die meisten von uns um 5 oder 5:30. Leicht steif in den Gliedern wechselten wir die wohlige Wärme der Schlafsäcke gegen das harte Leder der Wanderschuhe. Der Sonnenaufgang war ein tolles Fotomotiv.

Hansi verlangte seiner Truppe auch an diesem Tag alles ab ! Rauf, runter, rauf, runter. Endlich erreichten wir den Schwarzkogel. Vor uns die Seen, hinter uns die Julischen Alpen. Herrlich !

Über schwindelnde Latschenfelder und überhängende Felsvorsprünge (Kamine und so !) setzen wir die Route nach Osten fort. Mancher Teilnehmer (in) schwor heilige Eide, dies wäre seine (ihre) letzte Wanderung mit Hansi (wir werden sehen….). Um 10:30 am Dienstag erreichten wir schließlich den Baumgartner Parkplatz. Für alle, die oben waren, war diese Nacht ein Höhepunkt ihres Kärnten-Urlaubs !

Deja Vu und viele neue Eindrücke

Eine kleine Urlaubsgeschichte vom kleinen Björn

Wir schreiben das Jahr 1978. Ganz Österreich ist in Aufruhr. Ganz Österreich? Nein, eine kleine Wohlfühloase im Herzen des Dorfes Petschnitzen/Ledenitzen lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Am 15. Juni dieses Jahres soll es dann aber endlich soweit sein. Der nun immerhin schon 4 jährige kleine blond-Schopf Björn aus Hamburg betritt erstmals den Mikl-Hof und ist von nun an stets bemüht in den folgenden 8 Jahren etwas Unordnung in den Hofalltag zu bringen. Irgendwann haben sich dann aus bisher ungeklärten Gründen die Eltern von Klein-Björn entschieden, einen anderen Urlaubsort aufzusuchen. Der kleine blonde Junge war inzwischen groß geworden (dies nicht zwingend im körperlichen Sinne) und fuhr zukünftig mit Freundin und Freunden in den Urlaub. Es dauerte ganze 25 Jahre, bis er eine Rückkehr nach „Miklhausen” in Angriff nahm. Inzwischen selbst Vater eines 12 jährigen Sohnes machte er sich also auf, um seiner Familie die schönen Seiten Kärntens zu zeigen, ohne zu wissen, wie es der Familie Mikl ergangen und was aus der schon damaligen Wohlfühloase geworden ist. Nach dieser kurzen Einleitung gilt es nun auch die Erzählperspektive zu ändern und endlich auf den Titel dieser kleinen Urlaubsgeschichte einzugehen.

Wir, besonders ich, reisten also mit einer großen Erwartungshaltung nach Kärnten. Schließlich war es aus meiner Kindheit eine meiner schönsten Erinnerungen. Ich hatte die Hoffnung, dass heute wie damals, viele Kinder vor Ort sein werden, damit unser Sohn Lucas auch mit einigen anderen Kindern herumtoben kann. Außerdem freute ich mich auf den tollen Badesee, mit hauseigenem Strandabschnitt, ideal zum Schlauchboot fahren und für legendäre Luftmatratzenrennen. An dieser Stelle soll schon eins vorweggeschickt werden: „Ich wurde zu keinem Zeitpunkt enttäuscht!”

Wir erreichten den Hof am späten Vormittag. Schon bei der Anfahrt den kleinen Berg hinauf wurden erste Erinnerungen geweckt. Wir fuhren dann also anschließend diesen kurzen etwas steilen Hang hinunter, direkt an die Hauswand. Mein erster Eindruck war: „Außer vieler Pflanzen, größerer Bäume und vieler Blumen, die alles etwas liebevoller und freundlicher wirken ließen, hat sich nichts verändert. Nun also aussteigen…und da war es, mein erstes wirkliches „Deja vu” in Kärnten! Wir öffneten die Autotür und dieser hofeigene Geruch stieg mir in die Nase. Nach fünfundzwanzig Jahren war mir das gar nicht mehr so bewusst, aber trotzdem erkannte ich es sofort. Ich bitte auch dies nicht falsch zu verstehen. Es handelt sich dabei nicht um einen typischen manchmal unangenehmen Bauernhof oder Kuhstallgeruch, sondern eben so, als ob man gute Freunde besucht und ihre Wohnung eben anders duftet als unser zu Hause. Es war einfach nur bekannt und fühlte sich richtig gut an. Es war auch das erste, was ich meinem Sohn sagte, als wir ausstiegen. Wir betraten also den Hof und wurden von unseren Gastgebern freundlich begrüßt. Hansi war mir nur noch als cooler Teenager in Erinnerung geblieben, welcher sich mit mir eigentlich nicht

beschäftigt hatte, schließlich war ich doch einige Jahre jünger als er. Er war früher zumeist mit meinem Cousin, welcher mit uns gemeinsam den Urlaub verbrachte, unterwegs. Ines kannte ich gar nicht, obwohl sich beide eigentlich während unseres letzten Urlaubs dort kennengelernt haben müssten. Wir tauschten uns also kurz aus, redeten über alte Zeiten und bezogen unsere Unterkunft. Anschließend machte ich einen Hofrundgang. Es ist schon unglaublich, woran man sich nach so langer Zeit noch erinnert. Obwohl sich der Hof an sich nicht groß verändert hat, so ist doch irgendwie alles anders. Hansis alte Bude (freundlich ausgedrückt) wurde zum Kicker- und Tischtennisraum. Ein schöner Grillplatz und eine Multifunktions – Tischtennisplatte, als Esstisch, Bierprobenunterlage und auch einfach zum Tischtennis spielen geeignet, sind neu hinzu gekommen. Eine elementar wichtige Änderung ist aber hinzugekommen… eine Tafel im Treppenhaus, welche morgens aktuell die möglichen Events des Tages beschreibt. Hier finde sich Dinge wie Bierprobe, Kinderausritt, Kutschenfahrt, Polananights, Schokoholiks, 80er Jahre Quiz und vieles mehr!

Gemeinsame Kutschfahrten, heute wie früher… (links 1986 zum Fußball, rechts 2013 zum Wasserfall)

Kern dieser kleinen Geschichte und größter Bezugspunkt zum gewählten Titel ist der Programmpunkt „Bergtour”. Hierzu muss ich allerdings erneut etwas ausholen, etwas in die Vergangenheit reisen und entschuldige mich jetzt schon für die etwas längeren Ausführungen. Ich hoffe allerdings sehr, dass sie dem Leser ähnlich wie mir, einige Freude bereiten werden…

Juni 1986 -> der kleine eingangs erwähnte, unfassbar niedliche, blonde Junge Namens Björn, hatte einen großen Wunsch. Er wollte unbedingt auf diesen riesigen leuchtenden Berg, welchen er jeden Morgen beim Frühstück total beeindruckt anstarrte. Eines Tages war es dann auch soweit… sein Papa, der Herwig, sagte, dass sie in zwei Tagen dort hinauf gehen würden. Warum er mir dies zwei Tage vorher gesagt hat, weiß ich heute nicht mehr. Vorweg genommen… es war ein Fehler! Es folgten zwei Tage voller Aufregung und schlafloser Nächte. Am Abend vor dem Aufstieg hieß es dann für mich früh ins Bett gehen, schließlich wollten wir am nächsten Morgen um vier Uhr morgens los. Mit den Worten: „Schlaf schnell ein Butsche, du wirst die Kraft morgen für die Tour brauchen”, ließ mich mein Vater allein im Zimmer. Tolle Idee mir nochmal so viel Mut zu machen… neun weitere schlaflose unruhige Stunden später (gefühlt die längsten meines Lebens) war es dann soweit. Völlig erschöpft und übermüdet stand ich auf und machte mich mit meinem Papa auf den Weg.

An der „Bertahütte” sollte ich bei unserer ersten Pause etwas essen. Ich bekam aber leider keinen Bissen herunter. Mir war schlecht und ich konnte mich kaum noch bewegen. Trotzdem erreichte ich, wie auch immer, wahrscheinlich unter großer Mithilfe meines Vaters, den Gipfel. Ich war stolz wie Sau!!!

…27 Jahre später…

Wie eingangs beschrieben, habe ich erst 25 Jahre später den „Mikl-Hof” wieder betreten. Dieses Mal aber selbst als Vater eines 12-jährigen, inzwischen 14-jährigen Sohnes. Vor zwei Jahren starteten wir mit einer Bergtour zum Mallestigen Mittagskogel und zum Schwarzkogel mit Übernachtung in der Mitzl-Moitzl-Hütte. Eine wirklich tolle Tour, mit traumhaften Eindrücken, aber für meinen Sohn Lucas, war es eben nicht der Mittagskogel. Somit hatte ich in diesem aktuellen Urlaub keine Chance. Ich musste wieder auf diesen Berg! Wie der achtsame Leser nun aber wahrscheinlich erahnen kann, da diese Geschichte bereits ein Rückblick auf den Urlaub ist, haben wir und vor allem ich die Tour gut überstanden. Wie und unter welchen Begleitumständen mir dies aber gelungen ist, soll nun weiter ausgeführt werden, zumal es die Leiden des kleinen blonden Jungen um ein vielfaches übertreffen sollte…

Nun aber von Anfang an: Als wir in diesem Jahr auf dem „Mikl-Hof” ankamen, dauerte es ca. 1,37 Sekunden, bis Sohni den Hoftitanen Hansi zu überzeugen versuchte, uns auf den Mittagskogel zu führen. Tolle Idee, wie sich später heraus stellte. Es dauerte noch fünf weitere Sekunden bis Hansi einwilligte und noch eins drauf setzte.

„Ok, wir gehen gleich morgen und wir übernachten oben unter freiem Himmel. Denkt aber daran, es könnte oben kalt werden.”

Na super, nächste Station „Falle”, ein Outdoor-Laden, bei dem ein Rucksack gekauft werden musste. Natürlich sollte es was anständiges sein. Wird ja nicht die letzte Bergtour sein dachte ich, also nehmen wir mal einen etwas größeren, die Kinder sollen schließlich unterwegs nicht hungern müssen. Das war dann die nächste super Idee!

Es folgte der D-Day! Genau wie 27 Jahre zuvor habe ich sehr schlecht geschlafen, den Tag über mich dann etwas erholt und schließlich ging es los. Dieses Mal aber nicht um vier Uhr morgens, sondern am Nachmittag. Lucas war mindestens so aufgeregt wie ich damals. Dies zeigt sich bei ihm in einer unfassbaren Redseligkeit. Ein eindringliches, liebevolles und einfühlsames „Halt die Klappe!” meinerseits verpuffte ungehört. Auch die Erklärung, dass wir Männer, anders als die Frauen, am Tag nur eine begrenzte Anzahl an Worten zur Verfügung haben, überzeugte ihn nicht vollends. Er plapperte (dieses Wort beschreibt es am Besten) während unserer Fahrt zu unserem Startpunkt ununterbrochen! Diesem Umstand ist es letztlich auch zu verdanken, dass meine mentale Vorbereitung auf die bevorstehende Belastung empfindlich gestört wurde, was in der Folge zu fatalen psychischen Blackouts und physischen Leistungseinbrüchen während des Aufstiegs führte.

Die Autos waren nun also geparkt und ich holte stolz meinen neuen Rucksack aus dem Kofferraum und setzte ihn auf. Ein unglaublicher Tragekomfort. Dumm nur, dass er so schwer war, dass ich ihn mit einem Arm kaum tragen konnte… dieses Gewicht würde sich in der Folgezeit fürchterlich rächen! Schon nach den ersten 25 Höhenmetern war eigentlich klar, wie die Tour laufen würde:

Der Aufstieg!

Der graumelierte Zottelkopp mit den Genen eines Steinbocks ging voraus und gab das Tempo vor. Unter dem Motto, „Macht nichts, wenn`s schnell geht, Pause haben wir ja oben genug!” versuchten wir anderen ihn irgendwie nicht aus den Augen zu verlieren. 300 Höhenmeter weiter erblickten wir ihn dann zufällig, wie er lässig auf uns „Nachzügler” wartete. Voller Vorfreude auf die bevorstehende Pause zogen wir das Tempo nochmal etwas an, um dann enttäusch erkennen zu müssen, dass er zehn Meter bevor wir ihn erreichten, seine Tour fortsetzte. Langsam aber sicher wuchs die Wut in mir. Nachdem er dieses Prozedere weitere drei Mal wiederholte, wurde es blanker Hass!!!

Irgendwann blieb er dann aber tatsächlich zu einer Pause „für alle” stehen. Mit meinen inzwischen gefühlten 25 kg auf dem Rücken erreichte ich ihn als Vorletzter, wobei sich bereits ein Teilnehmer zuvor verabschiedet hatte. Mit ausgestrecktem Mittelfinger ging ich an der Gruppe vorbei, wobei sich unsere Gams in Wanderstiefeln köstlich amüsierte, ohne allerdings den Ernst der Lage für ihn selbst zu erahnen. Nach der Pause und der letzten Möglichkeit die Trinkflaschen aufzufüllen, teilte sich unsere Gruppe. Jene, welche direkt wieder vom Gipfel absteigen wollten, gingen voran, während wir „dusseligen Übernachtungsgäste” langsam und bepackt hinterher stiefelten. Es blieb also eigentlich alles beim Alten. „Ziegenpeter” lief voran und ließ uns immer 5-15 Meter an sich herankommen, um dann wieder aus unseren Augen zu verschwinden. Ich selbst war nunmehr nur noch mit mir selbst beschäftigt. Mein Rucksack war nun etwa 40 kg schwer und in meiner Einsamkeit redete ich mich in eine Art Wutrausch! Neben Gedanken in den nächsten zehn Jahren meinen Urlaub in Dänemark oder Schleswig-Holstein zu verbringen, überlegte ich parallel, wie ich es dem nimmermüden Bergziegenpoeten heimzahlen könnte. Es wurde nämlich keinesfalls besser. Irgendwann haben wir den angenehmen schattigen Wald verlassen, um den Rest des Weges der unbändigen Kraft des lebenspendenden Feuerballs ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang nochmals ein herzliches Dankeschön für die Idee diese Tour bei ca. 35 Grad starten zu lassen, weil die Nacht dann ja nicht so kühl werden würde.

Blick bei erster Pause

Nur für den Leser, wir kommen aus dem Norden, „kühl” können wir!!!!!

Was soll`s, es musste ja weiter gehen. Der Rucksack auf meinem Rücken wog inzwischen 65 kg und jeder Schritt fühlte sich wie ein Schlag mit einem Nagelkissen auf meine Oberschenkel an. In der Ferne erblickte ich aber das Gipfelkreuz. Dem Ziel so nah und doch so fern. Alles tat weh! Ich flucht und beschimpfte jeden etwas größeren Stein vor mir. Die „erste Gruppe” war bereits oben im Ziel und wollte eigentlich die Ruhe und Bergluft genießen. Leider mussten sie aber vorher noch die anderen Bergwanderer beruhigen, damit sie sich um mich keine Sorgen machten und eventuell die Bergrettung rufen. Es hieß einfach: „Der gehört so!” Unzählige Flüche weiter erreichte ich mit meinem

Hansi von oben, fotografiert die „Tour der Leiden”

87 kg Rucksack aber doch das Gipfelkreuz. Was ist das bitte für ein überragendes Gefühl. Viel mehr geht nicht!!!!!!!!!!!

Mein Sohn war bereits vor mir eingetroffen und ich denke, dass ich vor 27 Jahren das gleiche zufriedene und stolze lächeln in mir trug, als ich mich in das Buch am Gipfel eintragen konnte… und für alle, die uns noch nach diesen Ausführungen folgen wollen… es hat sich gelohnt!!!

 

Vielen Dank an alle Gäste des Mikl-Hofes, der gesamten Familie Mikl und natürlich meiner Familie für eine ganz ganz tolle Zeit! Es wird sicher nicht der letzte Urlaub gewesen sein und alle Gedanken an Dänemark sind schon wieder verflogen

So geht die Sonne in 2000 m Höhe unter…

Mallestiger Mittagskogel und Schwarzkogel

von Christian Warncke

Am 05.07.2013 machten sich 9 Leute auf den Weg zu einer Bergwanderung mit Hansi als Bergführer.

Birgit und Rüdiger, Sonja und Volker, Martin, Jörg, Nasti, Hansi und ich.. Wir trafen uns um 6.45 Uhr und fuhren…

…mit 2 Autos zum Baumgartnerhof, wo die Tour beginnen sollte. Ich fuhr bei Hansi mit im Auto und hatte die große Freude, dass die Fahrt mit Klängen von AC/DC – Live untermalt wurde.

Erstklassige Musik für einen erstklassigen Tag J!

Das Wetter war gut, die Stimmung auch und so ging es los. Gleich weg vom Weg, quer durch die Botanik und recht steil bergauf. Also kein Warmlaufen, sondern gleich Action. Die Luft war schwül und der Schweiß lief bei allen. Auf der einen Seite hatte Hansi ein flottes Tempo, aber er sorgte auch immer wieder für Pausen. Zwischen den Bäumen konnte man mit der Zeit immer mal wieder einen Blick auf den Gipfel vom „Mallestiger Mittagskogel“ werfen, was unser erstes Ziel war. Ganz schön weit weg noch. Schnauf! Insgesamt 900 Höhenmeter bis dahin. Nach ca. 1,5 Std. kamen wir an eine Quelle, wo wir alle unsere Trinkvorräte auffüllen konnten. Nach ca. 2 Std. hatten wir die Mitzl-Moitzl-Hütte erreicht. Eine Hütte mit offenem Dachboden, die von Hansi auch gerne zur Übernachtung bei einer Wanderung genutzt wird. In unserer Gruppe wurde für einen nächsten Urlaub jedoch eine Übernachtung unter freiem Himmel favorisiert, sollten die Temperaturen mitspielen.                        Ich bin gespannt und freue mich schon daraufJ!                                                                                       Hier machten wir unsere erste längere Pause und stärkten uns mit kulinarischen Spezialitäten aus den Rucksäcken. Zwei aus der Gruppe entschieden sich hier aufzuhören. Sie hatten toll etwas geschafft und das war genug.                                                                                                                      Lieber den Tag genießen und stolz sein auf das Geleistete, als über seine Grenzen gehen.

Jetzt war es noch ca. eine halbe Stunde bis zum Gipfel des „Mallestiger Mittagskogel“. Geschafft!! Eine Hammeraussicht. Herrlich! Es wurden viele Fotos gemacht und wer wollte hat sich in das Gipfelbuch eingetragen. Unser nächstes Ziel war der „Schwarzkogel“. Dazu mussten wir erst mal wieder ein ganzes Stück runtergehen, was ganz angenehm war, da wir bisher ja nur bergauf geklettert waren. Nach einiger Zeit kamen wir an ein Schild, welches anzeigte, dass es noch ca. 1 Stunde bis zum Gipfel des „Schwarzkogel“ sei. Hansi meinte, dass sei großzügig bemessen und siehe da, nach 20 Minuten waren die ersten oben. So viel zum Tempo J. Wieder eine wundervolle Aussicht. Der „Mallestiger Mittagskogel“ sah schon wieder so weit weg aus. Das hatten wir alle in so kurzer Zeit geschafft? Respekt! Hier machten wir wieder eine kleine Rast und stärkten uns.

Nach kurzer Überzeugungsarbeit bei Jörg ging es dann weiter über die Gebirgsgrate in Richtung Mittagskogel. Dieser Teil war für mich am Schönsten. Es ging rauf und runter mit 360° Panoramablick. Zwischendurch legte Hansi eine kurze Kletterpartie hin. Durch eine „Kaminspalte“ rauf auf einen größeren Felsen. Der Rest der Gruppe verzichtete darauf zur Schonung der Kräfte. Dann ging es auch bald nur noch runter, der Abstieg war zu spüren. Die letzte Stunde wanderten wir überwiegend auf Forstwegen durch den Wald, was schön schattig und nicht mehr so anstrengend war.

Nach 6,5 Stunden und ca. 2000 Höhenmetern waren wir dann wieder bei unseren Autos angekommen.

Einen ganz besonderen Respekt möchte ich Jörg aussprechen, der als leidenschaftlicher Raucher und trotz suboptimalem Schuhwerk nicht aufgegeben, sondern sich teilweise durch die Tour gequält hat. Das nenne ich Biss!

Alle freuten sich nun auf das gemeinsame Grillen am Abend, denn so eine Tour macht schon hungrig und ein kühles Bier ist dann auch nicht zu verachten.

In diesem Sinne Prost J!

Es war ein toller Tag und eine tolle Gruppe. Vielen Dank Euch allen.

Ich freue mich schon auf die nächste Wanderung mit neuen Herausforderungen.