Eine kleine Urlaubsgeschichte vom kleinen Björn
Wir schreiben das Jahr 1978. Ganz Österreich ist in Aufruhr. Ganz Österreich? Nein, eine kleine Wohlfühloase im Herzen des Dorfes Petschnitzen/Ledenitzen lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.
Am 15. Juni dieses Jahres soll es dann aber endlich soweit sein. Der nun immerhin schon 4 jährige kleine blond-Schopf Björn aus Hamburg betritt erstmals den Mikl-Hof und ist von nun an stets bemüht in den folgenden 8 Jahren etwas Unordnung in den Hofalltag zu bringen. Irgendwann haben sich dann aus bisher ungeklärten Gründen die Eltern von Klein-Björn entschieden, einen anderen Urlaubsort aufzusuchen. Der kleine blonde Junge war inzwischen groß geworden (dies nicht zwingend im körperlichen Sinne) und fuhr zukünftig mit Freundin und Freunden in den Urlaub. Es dauerte ganze 25 Jahre, bis er eine Rückkehr nach „Miklhausen” in Angriff nahm. Inzwischen selbst Vater eines 12 jährigen Sohnes machte er sich also auf, um seiner Familie die schönen Seiten Kärntens zu zeigen, ohne zu wissen, wie es der Familie Mikl ergangen und was aus der schon damaligen Wohlfühloase geworden ist. Nach dieser kurzen Einleitung gilt es nun auch die Erzählperspektive zu ändern und endlich auf den Titel dieser kleinen Urlaubsgeschichte einzugehen.
Wir, besonders ich, reisten also mit einer großen Erwartungshaltung nach Kärnten. Schließlich war es aus meiner Kindheit eine meiner schönsten Erinnerungen. Ich hatte die Hoffnung, dass heute wie damals, viele Kinder vor Ort sein werden, damit unser Sohn Lucas auch mit einigen anderen Kindern herumtoben kann. Außerdem freute ich mich auf den tollen Badesee, mit hauseigenem Strandabschnitt, ideal zum Schlauchboot fahren und für legendäre Luftmatratzenrennen. An dieser Stelle soll schon eins vorweggeschickt werden: „Ich wurde zu keinem Zeitpunkt enttäuscht!”
Wir erreichten den Hof am späten Vormittag. Schon bei der Anfahrt den kleinen Berg hinauf wurden erste Erinnerungen geweckt. Wir fuhren dann also anschließend diesen kurzen etwas steilen Hang hinunter, direkt an die Hauswand. Mein erster Eindruck war: „Außer vieler Pflanzen, größerer Bäume und vieler Blumen, die alles etwas liebevoller und freundlicher wirken ließen, hat sich nichts verändert. Nun also aussteigen…und da war es, mein erstes wirkliches „Deja vu” in Kärnten! Wir öffneten die Autotür und dieser hofeigene Geruch stieg mir in die Nase. Nach fünfundzwanzig Jahren war mir das gar nicht mehr so bewusst, aber trotzdem erkannte ich es sofort. Ich bitte auch dies nicht falsch zu verstehen. Es handelt sich dabei nicht um einen typischen manchmal unangenehmen Bauernhof oder Kuhstallgeruch, sondern eben so, als ob man gute Freunde besucht und ihre Wohnung eben anders duftet als unser zu Hause. Es war einfach nur bekannt und fühlte sich richtig gut an. Es war auch das erste, was ich meinem Sohn sagte, als wir ausstiegen. Wir betraten also den Hof und wurden von unseren Gastgebern freundlich begrüßt. Hansi war mir nur noch als cooler Teenager in Erinnerung geblieben, welcher sich mit mir eigentlich nicht
beschäftigt hatte, schließlich war ich doch einige Jahre jünger als er. Er war früher zumeist mit meinem Cousin, welcher mit uns gemeinsam den Urlaub verbrachte, unterwegs. Ines kannte ich gar nicht, obwohl sich beide eigentlich während unseres letzten Urlaubs dort kennengelernt haben müssten. Wir tauschten uns also kurz aus, redeten über alte Zeiten und bezogen unsere Unterkunft. Anschließend machte ich einen Hofrundgang. Es ist schon unglaublich, woran man sich nach so langer Zeit noch erinnert. Obwohl sich der Hof an sich nicht groß verändert hat, so ist doch irgendwie alles anders. Hansis alte Bude (freundlich ausgedrückt) wurde zum Kicker- und Tischtennisraum. Ein schöner Grillplatz und eine Multifunktions – Tischtennisplatte, als Esstisch, Bierprobenunterlage und auch einfach zum Tischtennis spielen geeignet, sind neu hinzu gekommen. Eine elementar wichtige Änderung ist aber hinzugekommen… eine Tafel im Treppenhaus, welche morgens aktuell die möglichen Events des Tages beschreibt. Hier finde sich Dinge wie Bierprobe, Kinderausritt, Kutschenfahrt, Polananights, Schokoholiks, 80er Jahre Quiz und vieles mehr!
Gemeinsame Kutschfahrten, heute wie früher… (links 1986 zum Fußball, rechts 2013 zum Wasserfall)
Kern dieser kleinen Geschichte und größter Bezugspunkt zum gewählten Titel ist der Programmpunkt „Bergtour”. Hierzu muss ich allerdings erneut etwas ausholen, etwas in die Vergangenheit reisen und entschuldige mich jetzt schon für die etwas längeren Ausführungen. Ich hoffe allerdings sehr, dass sie dem Leser ähnlich wie mir, einige Freude bereiten werden…
Juni 1986 -> der kleine eingangs erwähnte, unfassbar niedliche, blonde Junge Namens Björn, hatte einen großen Wunsch. Er wollte unbedingt auf diesen riesigen leuchtenden Berg, welchen er jeden Morgen beim Frühstück total beeindruckt anstarrte. Eines Tages war es dann auch soweit… sein Papa, der Herwig, sagte, dass sie in zwei Tagen dort hinauf gehen würden. Warum er mir dies zwei Tage vorher gesagt hat, weiß ich heute nicht mehr. Vorweg genommen… es war ein Fehler! Es folgten zwei Tage voller Aufregung und schlafloser Nächte. Am Abend vor dem Aufstieg hieß es dann für mich früh ins Bett gehen, schließlich wollten wir am nächsten Morgen um vier Uhr morgens los. Mit den Worten: „Schlaf schnell ein Butsche, du wirst die Kraft morgen für die Tour brauchen”, ließ mich mein Vater allein im Zimmer. Tolle Idee mir nochmal so viel Mut zu machen… neun weitere schlaflose unruhige Stunden später (gefühlt die längsten meines Lebens) war es dann soweit. Völlig erschöpft und übermüdet stand ich auf und machte mich mit meinem Papa auf den Weg.
An der „Bertahütte” sollte ich bei unserer ersten Pause etwas essen. Ich bekam aber leider keinen Bissen herunter. Mir war schlecht und ich konnte mich kaum noch bewegen. Trotzdem erreichte ich, wie auch immer, wahrscheinlich unter großer Mithilfe meines Vaters, den Gipfel. Ich war stolz wie Sau!!!
…27 Jahre später…
Wie eingangs beschrieben, habe ich erst 25 Jahre später den „Mikl-Hof” wieder betreten. Dieses Mal aber selbst als Vater eines 12-jährigen, inzwischen 14-jährigen Sohnes. Vor zwei Jahren starteten wir mit einer Bergtour zum Mallestigen Mittagskogel und zum Schwarzkogel mit Übernachtung in der Mitzl-Moitzl-Hütte. Eine wirklich tolle Tour, mit traumhaften Eindrücken, aber für meinen Sohn Lucas, war es eben nicht der Mittagskogel. Somit hatte ich in diesem aktuellen Urlaub keine Chance. Ich musste wieder auf diesen Berg! Wie der achtsame Leser nun aber wahrscheinlich erahnen kann, da diese Geschichte bereits ein Rückblick auf den Urlaub ist, haben wir und vor allem ich die Tour gut überstanden. Wie und unter welchen Begleitumständen mir dies aber gelungen ist, soll nun weiter ausgeführt werden, zumal es die Leiden des kleinen blonden Jungen um ein vielfaches übertreffen sollte…
Nun aber von Anfang an: Als wir in diesem Jahr auf dem „Mikl-Hof” ankamen, dauerte es ca. 1,37 Sekunden, bis Sohni den Hoftitanen Hansi zu überzeugen versuchte, uns auf den Mittagskogel zu führen. Tolle Idee, wie sich später heraus stellte. Es dauerte noch fünf weitere Sekunden bis Hansi einwilligte und noch eins drauf setzte.
„Ok, wir gehen gleich morgen und wir übernachten oben unter freiem Himmel. Denkt aber daran, es könnte oben kalt werden.”
Na super, nächste Station „Falle”, ein Outdoor-Laden, bei dem ein Rucksack gekauft werden musste. Natürlich sollte es was anständiges sein. Wird ja nicht die letzte Bergtour sein dachte ich, also nehmen wir mal einen etwas größeren, die Kinder sollen schließlich unterwegs nicht hungern müssen. Das war dann die nächste super Idee!
Es folgte der D-Day! Genau wie 27 Jahre zuvor habe ich sehr schlecht geschlafen, den Tag über mich dann etwas erholt und schließlich ging es los. Dieses Mal aber nicht um vier Uhr morgens, sondern am Nachmittag. Lucas war mindestens so aufgeregt wie ich damals. Dies zeigt sich bei ihm in einer unfassbaren Redseligkeit. Ein eindringliches, liebevolles und einfühlsames „Halt die Klappe!” meinerseits verpuffte ungehört. Auch die Erklärung, dass wir Männer, anders als die Frauen, am Tag nur eine begrenzte Anzahl an Worten zur Verfügung haben, überzeugte ihn nicht vollends. Er plapperte (dieses Wort beschreibt es am Besten) während unserer Fahrt zu unserem Startpunkt ununterbrochen! Diesem Umstand ist es letztlich auch zu verdanken, dass meine mentale Vorbereitung auf die bevorstehende Belastung empfindlich gestört wurde, was in der Folge zu fatalen psychischen Blackouts und physischen Leistungseinbrüchen während des Aufstiegs führte.
Die Autos waren nun also geparkt und ich holte stolz meinen neuen Rucksack aus dem Kofferraum und setzte ihn auf. Ein unglaublicher Tragekomfort. Dumm nur, dass er so schwer war, dass ich ihn mit einem Arm kaum tragen konnte… dieses Gewicht würde sich in der Folgezeit fürchterlich rächen! Schon nach den ersten 25 Höhenmetern war eigentlich klar, wie die Tour laufen würde:
Der Aufstieg!
Der graumelierte Zottelkopp mit den Genen eines Steinbocks ging voraus und gab das Tempo vor. Unter dem Motto, „Macht nichts, wenn`s schnell geht, Pause haben wir ja oben genug!” versuchten wir anderen ihn irgendwie nicht aus den Augen zu verlieren. 300 Höhenmeter weiter erblickten wir ihn dann zufällig, wie er lässig auf uns „Nachzügler” wartete. Voller Vorfreude auf die bevorstehende Pause zogen wir das Tempo nochmal etwas an, um dann enttäusch erkennen zu müssen, dass er zehn Meter bevor wir ihn erreichten, seine Tour fortsetzte. Langsam aber sicher wuchs die Wut in mir. Nachdem er dieses Prozedere weitere drei Mal wiederholte, wurde es blanker Hass!!!
Irgendwann blieb er dann aber tatsächlich zu einer Pause „für alle” stehen. Mit meinen inzwischen gefühlten 25 kg auf dem Rücken erreichte ich ihn als Vorletzter, wobei sich bereits ein Teilnehmer zuvor verabschiedet hatte. Mit ausgestrecktem Mittelfinger ging ich an der Gruppe vorbei, wobei sich unsere Gams in Wanderstiefeln köstlich amüsierte, ohne allerdings den Ernst der Lage für ihn selbst zu erahnen. Nach der Pause und der letzten Möglichkeit die Trinkflaschen aufzufüllen, teilte sich unsere Gruppe. Jene, welche direkt wieder vom Gipfel absteigen wollten, gingen voran, während wir „dusseligen Übernachtungsgäste” langsam und bepackt hinterher stiefelten. Es blieb also eigentlich alles beim Alten. „Ziegenpeter” lief voran und ließ uns immer 5-15 Meter an sich herankommen, um dann wieder aus unseren Augen zu verschwinden. Ich selbst war nunmehr nur noch mit mir selbst beschäftigt. Mein Rucksack war nun etwa 40 kg schwer und in meiner Einsamkeit redete ich mich in eine Art Wutrausch! Neben Gedanken in den nächsten zehn Jahren meinen Urlaub in Dänemark oder Schleswig-Holstein zu verbringen, überlegte ich parallel, wie ich es dem nimmermüden Bergziegenpoeten heimzahlen könnte. Es wurde nämlich keinesfalls besser. Irgendwann haben wir den angenehmen schattigen Wald verlassen, um den Rest des Weges der unbändigen Kraft des lebenspendenden Feuerballs ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang nochmals ein herzliches Dankeschön für die Idee diese Tour bei ca. 35 Grad starten zu lassen, weil die Nacht dann ja nicht so kühl werden würde.
Blick bei erster Pause
Nur für den Leser, wir kommen aus dem Norden, „kühl” können wir!!!!!
Was soll`s, es musste ja weiter gehen. Der Rucksack auf meinem Rücken wog inzwischen 65 kg und jeder Schritt fühlte sich wie ein Schlag mit einem Nagelkissen auf meine Oberschenkel an. In der Ferne erblickte ich aber das Gipfelkreuz. Dem Ziel so nah und doch so fern. Alles tat weh! Ich flucht und beschimpfte jeden etwas größeren Stein vor mir. Die „erste Gruppe” war bereits oben im Ziel und wollte eigentlich die Ruhe und Bergluft genießen. Leider mussten sie aber vorher noch die anderen Bergwanderer beruhigen, damit sie sich um mich keine Sorgen machten und eventuell die Bergrettung rufen. Es hieß einfach: „Der gehört so!” Unzählige Flüche weiter erreichte ich mit meinem
Hansi von oben, fotografiert die „Tour der Leiden”
87 kg Rucksack aber doch das Gipfelkreuz. Was ist das bitte für ein überragendes Gefühl. Viel mehr geht nicht!!!!!!!!!!!
Mein Sohn war bereits vor mir eingetroffen und ich denke, dass ich vor 27 Jahren das gleiche zufriedene und stolze lächeln in mir trug, als ich mich in das Buch am Gipfel eintragen konnte… und für alle, die uns noch nach diesen Ausführungen folgen wollen… es hat sich gelohnt!!!
Vielen Dank an alle Gäste des Mikl-Hofes, der gesamten Familie Mikl und natürlich meiner Familie für eine ganz ganz tolle Zeit! Es wird sicher nicht der letzte Urlaub gewesen sein und alle Gedanken an Dänemark sind schon wieder verflogen
So geht die Sonne in 2000 m Höhe unter…