“Die ganze Welt ist voller Wunder”. Ziemlich tiefschürfende archäologische Abenteuer-Grabungen auf dem Wauberg.

Mit der Ruhe auf dem Wauberg ist es nun vorbei, der lange Dornröschenschlaf scheint beendet. Als wir am schwül-warmen Morgen des 8. Juni beginnen, fehlt es dem Wauberg völlig an historischer Tiefenschärfe, vorherrschendes Gefühl (zumindest bei mir) ist eine konkrete und doch schwer fassbare Sehnsucht nach einer noch zu entdeckenden bzw. ergrabenden wilden Vergangenheit dieses Ortes. Irgendwie scheint alles möglich, denn es fehlen seit jeher exakte Angaben. Die kommenden zwei Wochen sollen also bestenfalls ein wenig Licht ins geschichtliche Dunkel bringen, welches den Berg seit Jahrhunderten nebelartig einhüllt. Schon der Weg zum Start der Grabungen war ein ganz spezielles Abenteuer…

– befestigt, eingeebnet und befahrbar gemacht von einer merkwürdigen Mischung aus Zufall, Schicksal und Google. Rückblickend mögen sich daraus zwar logische Schlussfolgerungen formen, aber als ich pünktlich mit Grabungsbeginn meine Schaufeln in den Anhänger werfe, wird mir sehr bewusst, dass ich die Schlüssel- und Mitspieler dieser Veranstaltung nie kennengelernt hätte, wäre nicht vor einiger Zeit mein Wauberg-Text in unsere Homepage montiert worden. Im Abstand der vergangenen Wochen und Monate zeigt sich die Abfolge der einleitenden Ereignisse in zusammenhängender Klarheit und deshalb dämmert mir außerdem, dass die kommenden Tage nicht nur mein Leben, sondern auch jenes der weiteren handelnden Personen bereichern werden.

Tag 1

 

Die abenteuerliche Reise in mutmaßlich weit entfernte Zeitalter erweist sich erwartungsgemäß als eher mühsam. Traktor und Anhänger schütteln Mensch und Material über rustikale Waldwege bis      zum Fuß des Waubergs kräftig durch. Von dort aus geht es über die unverschämt steile Ostseite in der Direttissima und über einen schmalen, noch namenlosen Pfad auf den Gipfel. Logistisch gesehen beginnt spätestens hier das aktive Teambuilding, denn beachtliche Mengen an profanem Werkzeug, Archäologie-Equipment, sinnvollen Alternativ-Gerätschaften und Proviant müssen nach oben geschafft werden. Claus, der leitende Archäologe, beweist gleich auf Anhieb ein Übermaß an Leidensfähigkeit, Humor und bayrischer Hemdsärmeligkeit, indem er ohne nennenswerte Verschnaufpausen eine schwerbeladene Aluminiumkiste aufs Gipfelplateau schleppt, um dann etwas atemlos und selbstkritisch anzumerken, er sei schon besser in Form gewesen. Mirko, der lokale Historiker und unermüdliche Motor der Wauberg-Grabung wirft unterwegs nach kurzer, sachlicher Grundsatzdiskussion und unter ganz sanftem Druck das „Sie” über Bord. Mit dem „Du” wird die Kommunikation im zentralen Mittelfeld gleich zu Beginn auf freundschaftliche Ebenen gelegt, in den folgenden Tagen wird sie trotz oft unterschiedlicher Meinungen bestmögliche Lösungen und Resultate erzielen.

 

Was man als archäologischer Rookie noch nicht einmal ansatzweise ahnen kann: Der Augenblick der Grabungs-Wahrheit wird ständig aktualisiert und nicht jede Theorie erweist sich in der Praxis als Volltreffer. Weil übrigens die Wauberg-Vegetation im langen Lauf der Zeit fast sämtliche Anhaltspunkte bis zur völligen Unkenntlichkeit überwuchert hat, gab es einige Wochen vor Grabungsbeginn einen spannenden Lokalaugenschein mit Franz, einem Energetiker. Er und seine Wünschelruten markierten im Vorfeld aussichtsreiche Grabungsstellen, die im Laufe der Kampagne untersucht werden (sollten-könnten-müssten). Unter anderem ein mutmaßliches „Kraftfeld” am südwestlichen Rand des Plateaus. Tatsächlich ein merkwürdiger Ort, trotz sonniger Lage und ausreichend Licht nur spärlich mit Gras und Farnkraut bewachsen, während ringsum der Wald prächtig gedeiht. Diesen Umstand fand ich schon als Kind mindestens hinterfragenswert und ausgesprochen rätselhaft. Weil wir in einer Welt leben, die ihre Möglichkeiten nur erahnt, statt sie wahrzunehmen, erscheint mir die Erklärung eines „Kraftortes” an dieser Stelle alles andere als abwegig. Claus und Kurt sind schon berufsbedingt ziemlich skeptisch, aber auch dieses Rätsel soll im Zuge der Grabungen wissenschaftlich gelöst werden.

 

Nach kurzer Lagebesprechung startet das Montagvormittags-Team das Unternehmen in einer erfolgsversprechenden Vertiefung, die am tiefsten Punkt noch Spuren von Mauerresten erkennen lässt. Diese Mauerfragmente hat Claus bei einer ersten Begehung im November 2014 wegen des konischen Verlaufs bereits als Gewölberest identifiziert und anhand von Mörtelproben mit ornithologisch angehauchten Fachbegriffen wie „Kalkspatzen”als mittelalterlich eingestuft. Fachliche Unterstützung erhält der Experte in Person der Archäologiestudentin Lilly, der man die Grazerin nicht anhört und die am Wauberg ein unverhofftes, dreitägiges Praktikum absolvieren wird. So wie es aussieht dürfen wir also einen Kellerraum aus dem 12. Jahrhundert ins Tageslicht des 21. Jahrhunderts zurückschaufeln, passend dazu berichtet Herbert als Zeit- und Augenzeuge von etlichen Stufen, die er noch als Kind und an dieser Stelle gesehen haben will. Wir machen uns mit Krampen, Schaufeln, Spachteln und Eimern ans Werk.

 

Erschreckend bald schon –eigentlich sogar sofort- erhält die Euphorie der Möchtegern-Indiana-Jones’ einen ersten Dämpfer: Die Vertiefung ist logischerweise, weil mitten im Wald…mit einem überaus zähen Durcheinander aus Wurzelwerk, Erde, Laub und Steinen gefüllt und kompakt verwachsen. Jeder einzelne Eimer bedeutet, erschwerend von oben nach unten gegraben, harte Arbeit. Der Weg zu den Schwertern, Schätzen und Leichen im Keller wird also kein leichter sein, sondern xaviernaidoomäßig steinig und schwer. Darüber hinaus ist das Material gänzlich fundstücksfrei. Dieser Umstand wirkt, ähnlich wie beim Pilzesammeln…eher motivationsdämpfend. Ohne ausreichende Vorwarnung löst sich die Gewölbe-Theorie tiefer kommend in Luft auf und macht einer Zisterne Platz, denn wir stoßen auf senkrechte Mauern, die fein gearbeitet und offensichtlich aus einem einzigen Sandsteinblock gehauen sind. Ein riesiger Sandsteinblock mitten im Trias-Dolomit ? Kaum denkbar bis unmöglich. Bis zur Mittagspause kann man wenigstens schon eine attraktive Rundung erkennen, von Herberts Stufen allerdings keine Spur. Erste Stichproben auf dem Gipfelplateau mit dem Metalldetektor – spärliche Nagelfunde. Dort jedoch, wo Franz einen „größeren Metallfund” vermutet hat…schweigt sich das Gerät aus.

 

Nachmittags wird die Mannschaft durch Kurt, Andi und Mariano bunt (Museumsdirektor, Hobbyarchäologe, Gymnasiast) verstärkt. Durch die kurzfristige Überbesetzung entscheiden wir uns für eine zweite Baustelle, Mirko und ich sondieren südöstlich der Zisterne. Dort nämlich hat Franz, der Energetiker, Scherbenfunde angesagt. Mit dem Traum vom großen Fund kämpfen wir uns beharrlich durch das dichte Wurzelgeflecht einer Buche. Ziemlich schnell wird mir ziemlich klar, warum hier noch nie jemand graben wollte. Wir sind längst auf dem Boden der Realität angekommen und schrauben die hohen Erwartungshaltungen vorsichtig nach unten. Als erster Trostpreis taucht immerhin der Unterkiefer eines Wildschweins auf, welches mutmaßlich vor 800 oder 900 Jahren und wahrscheinlich unfreiwillig auf der ritterlichen Tafel landete. Direkt darunter graben wir eine Rinder (?)rippe mit deutlichen Messerspuren aus, es darf demnach fast sicher davon ausgegangen werden, dass die Burg nicht von Vegetariern bewohnt wurde. Die zeitliche Zuordnung erfolgt deshalb so wasserdicht, weil sich schon bald Fragmente mittelalterlicher Keramik finden, zum Drüberstreuen gibt es noch den Rest eines Fundaments zu bestaunen, direkt auf den Felsen gemörtelt. In ersten Ansätzen kommt man schleichend zur Erkenntnis, dass man sich eigentlich auf einer Zeitreise befindet, bei der abendlichen Arbeit am Hof fällt die Umstellung auf Gegenwart schwerer als erwartet. Der Tag endet erst spät, mit Claus am nächtlichen Lagerfeuer.

 

Tag 2

 

Die Nacht war etwas zu kurz. Pünktlich um 8 Uhr startet das vollbeladene „Vetterlingomobil” in den nächsten warmen Sommertag einer Schönwetterperiode hinein. In der Lagebesprechung und der Tagesplanung finden sich verschiedene Entwürfe, die offen und munter diskutiert werden. So kann ich mich zB nicht wirklich mit den Vorgaben des Bundesdenkmalamtes anfreunden, wonach die Zisterne zwar mühevoll ausgegraben, aber danach sofort wieder verfüllt werden soll. Claus hält Rücksprache, die Pro und Contras erzielen einen intelligenten Kompromiss: Die Zisterne wird lediglich mit einem halben Schnitt dokumentiert, über ihr weiteres Schicksal zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Franz, der Energetiker untersucht nochmals das Gelände. Gemeinsam mit Claus und Kurt wird eine weitere Sondierungsstelle, einige Meter südwestlich der Zisterne, festgelegt. Mariano, Mirko und Andi  nehmen auf der Suche nach möglichen Grundmauern den neuen Schnitt in Angriff, während ich mich mit Kurt und Lilly in und an der Zisternengrube abmühe. Es ist schon erstaunlich, wie viel und wie lange man Schutt und Wurzeln hacken und schaufeln kann, ohne auch nur irgendwas zu finden. Mit der Zeit wird die Arbeit beinahe meditativ, man denkt nur mehr in vollen Schaufeln und vollen Eimern und versinkt zusehends im Mittelalter. Hinter der Zisterne legen wir den fein behauenen Trias-Dolomit frei, die Rundung wird allmählich weiter. Claus wechselt, ständig gerufen, zwischen beiden Baustellen hin und her und glättet die Wogen nach Tiefschlägen. Denn zunächst gibt es oft falschen Alarm. Eine vermeintliche Fliese entpuppt sich als gelbliche Platte aus Wauberg-Gestein, Felsplättchen werden von den lernenden Amateuren vielfach mit Scherben verwechselt. Aber je tiefer sich die Kollegen im benachbarten Schnitt durch den Schutt der Burg graben, desto zahlreicher tauchen Beweise in Form von Keramikteilchen und Knochen auf.

 

Die Mittagspause ist durchaus willkommen, unterm kühlenden Blätterdach der Buchen wird gegessen, getrunken, gefachsimpelt und spekuliert. Mirko serviert als klassischer Altösterreicher neuerdings Kaffee in reizenden kleinen Kunststoffbechern, dazu gibt es Einweg-Mannerschnitten und Wasser.

 

Die Hardware-Arbeiten im Zisternenbereich sind mittlerweile erledigt, jetzt kümmert sich Software-Spezialist Claus mit Lilly, Kellen, Spachteln und Besen um den Feinschliff….und macht bei der sorgfältigen Nachbearbeitung gleich eine wesentliche Entdeckung: Die Zisterne ist keineswegs monolithisch, sondern nur äußerst exakt gemauert und zudem wasserdicht mit einem Putz aus Ziegelschrot und Kalkmörtel versehen. Na also.

 

Weil der Personalstand am Nachmittag wieder sinkt, grabe ich bei Mariano, Mirko und Andi mit. Die ganz großen Erfolgserlebnisse finden zwar nicht gerade statt, aber man gewöhnt sich an Nägel, Knochen und etwas Keramik. Kurz vor Feierabend ziehe ich ein Messer aus dem Schutt, welches ich wohl kaum als Messer identifiziert hätte. Claus hingegen beschreibt es wort- und gestenreich in allen Einzelheiten und steckt es entschlossen ins 12. oder 13. Jahrhundert. Die Beweislage wird zunehmend erdrückend, die Burg nimmt Formen an.

 

Der Feierabendverkehr bringt uns etwas verspätet nach Hause. Am Ende des Tages gibt es noch Salbeinudeln, Anekdoten und die Hoffnung auf den Mittwoch.

 

Tag 3

 

Weiterhin sonnig und heiß, Gott sei Dank ist der Wauberg bewaldet. Notgedrungen wird die Frequenz am Vormittag kurzfristig heruntergeschraubt, die kleine Besetzung putzt und dokumentiert die Baustellen. Nach der notwendigen Logistik muss ich leider zurück in den Alltag: Die Tiere benötigen frisches Gras, außerdem müssen längst fällige Einkäufe und Termine in der Stadt über die Bühne gebracht werden. Den Abstecher in die Hektik empfindet man nach zwei intensiven Grabungstagen beinahe als Jet-Lag. An der Kasse des Diskonters stehend taucht unversehens der Wunsch nach sinnvoller Geräuschkulisse auf, nach einem Freiraum des Nachgrabens und Nachdenkens, nach frischer Luft, Licht, Wind und Kontemplation. Gedacht-getan, pünktlich zur Mittagspause bin ich wieder Teil der Wauberg-Mannschaft. Nach einem Gruppen-Fototermin mit der Zisterne wird ein neuer Schnitt im Bereich des Nordhangs gezogen. Mirko, Mariano und ich kämpfen uns durch die gewohnte Schicht aus Wurzeln, Erde und Schutt, während Team 2 mit Ines, Lilly und Andi nebenan unter dem Burgabraum eine prähistorische Schicht mit Brandspuren, Knochenresten und Keramik erreicht. Für eine kleine Richtungsänderung des Tagesverlaufs sorgt eine kurzweilige metalldetektorische Abenteuer-Expedition in den unverschämt steilen Nordhang, aber – außer ein paar Nägeln und Spesen…nix gewesen !!!

 

In der Zwischenzeit ist Ines in „meinem” Schnitt auf einen alten Estrich gestoßen und erntet die Lorbeeren des stets gutgelaunten Grabungsleiters. Dieser schießt dann selbst unmittelbar vor Feierabend  den bisherigen Grabungs-Vogel ab, indem er mit dem Glück des Tüchtigen und dem Signal des Metalldetektors ein zerbeultes Bronzesieb aufspürt. Allgemeine Begeisterung, denn kurz zuvor erblickte ein Stück Tonziegel wieder das Licht der Welt…ein Nachweis für die Dachdeckung der Burg. Nach diesen Erfolgserlebnissen sieht die Mannschaft die Arbeitsniederlegung zwar als unliebsamen Störfaktor des geregelten Suchens, aber auf dem Terminkalender des Mittwochabends steht: Grabungsfeier !

 

Über der Holzkohle bruzzeln Mexikaner und schwitzen Grillwürste, Claus spendiert ein 15-Liter-Fässchen besten fränkischen Zehendner-Biers (http://www.moenchsambacher.de/brauerei), am prasselnden Lagerfeuer wird in heiter-besinnlichen Gesprächen noch lange diskutiert, referiert, prognostiziert, spekuliert, minimiert, maximiert, banalisiert und philosophiert. Einziger Wermutstropfen: Lilly verabschiedet sich in Richtung Grazer Universität.

 

Tag 4

 

Unverändert heiß. Pünktlich ab 8 Uhr geht es wieder ans Eingemachte, denn die Grabung in ihrem Lauf…hält weder Zehendner, noch Schlafmangel…auf. Ines´ dunkle Sonnenbrille ist nicht nur der strahlenden Morgensonne, sondern auch der kurzen mönchsambacher Nacht geschuldet. Claus und ich stellen unisono fest, dass der steile Aufstieg schon wesentlich leichter fiel. Spontan erhält die Wauberg-Direttissima einen aussagekräftigen Namen: „Zehendner-Steig”. Der Grabungstag wird superkurz, denn Claus muss wegen eines Termins in Molzbichl bereits gegen 10:15 das Feld räumen. Bis dahin wird beim beschwingten Graben munter bilanziert und die dabei gezogenen Mittelalter-Bilanzen, so positiv sie bereits klingen mögen…trösten mich nicht ganz über die bislang fehlenden Illyrer, Kelten und Römer hinweg. Hier geistert wohl, nachdem die Burg längst datiert und bewiesen ist, meine durchaus berechtigte Hoffnung auf die Antike durch die Gegenwart des profanen Schaufelns in den mittelalterlichen Schichten. Da hilft auch die Aufmunterung des Chef-Archäologen nicht weiter, wonach die bisherigen Funde seine Erwartungen schon jetzt übertroffen hätten. In solchen Augenblicken natürlich findet Ines eine eiserne Schnalle, mit einem kleinen Erfolgserlebnis treten wir den Rückzug ins Tal bzw. ins Alltagsgeschäft an.

 

Tag 5

 

Noch heißer. Die grabungsphilosophischen Ermüdungserscheinungen halten sich eigentlich in Grenzen. Mein schwarzes Freitags-T-Shirt trägt die optimistische Aufschrift „Tagtraum”, in der frühen Morgensonne lösen sich die (selbst)kritischen Nachtgedanken schnell auf und werden sofort vom fast krankhaft gewordenen Grabungs-Erregungszustand abgelöst. Das Freitagvormittagsteam besteht aus den Stammspielern Claus und Mirko, ergänzt von Edel-Joker Andi, der sich gleich um die Feinarbeiten in Schnitt 3 kümmert. Während ich mich mit Mirko im vierten Schnitt bis zur Geländekante weitergrabe, poliert und dokumentiert Claus in der Zisterne. Bis zum späten Vormittag ist der Verlauf der Burgmauer in der 4 geklärt, wir finden das in den Felsen gehauene „Negativ” derselben, mit anderen Worten: Das Gemäuer wurde nicht nur bis auf die Grundmauern, sondern sogar bis auf die Fundamente geplündert und mutmaßlich von der lokalen Bauernschaft andernorts wieder verbaut. Damit sind alle Fragen in dieser Baustelle geklärt. Sogar für das Ende der Burg gibt es schon eine Vermutung: Das starke Erdbeben vom 25. Januar 1348.

 

Ab sofort geht die durchaus sportliche Auseinandersetzung zwischen Archäologie und Energetik (aktueller Zwischenstand 3:0) in die (vorläufig) letzte Runde, das „Kraftort-Rätsel” soll mit Krampen, Schaufel, Spachtel und Besen möglichst wissenschaftlich gelöst werden. Claus vermutet eine massive Felsplatte direkt unter der Grasnarbe. Ich bin jedenfalls ziemlich gespannt und schließe mich völlig neutral in erster Linie der vernünftigen Frage: „Was ist wahrscheinlicher ?” an. Insgeheim tendiere ich zwar an dieser Stelle zur Energetik, aber Versuch und Irrtum sind schließlich wesentliche menschliche Prinzipien, die man natürlich auch auf dem Wauberg (mehr oder weniger) erfolgreich anwenden kann.  Dinge, die man sich nicht ganz erklären kann, stellt man selbstverständlich in Frage und auf der Suche nach Antworten entfernen wir zunächst sorgfältig die Grasziegel der Vegetationsschicht an der Geländekante. Darunter keine widerspenstigen gordischen Wurzelknoten, keine Felsplatten, stattdessen eine dicke Schicht guter, wachstumsfähiger Erde. Wunderbare Stunden kommen manchmal ziemlich beiläufig daher und finden erst später ihre ausreichende Würdigung in Berichten wie diesem. Völlig unverhofft wird die T-Shirt-Prophezeiung wahr: In der mehr als wachstumsfähigen Erdschicht öffnet sich plötzlich die Büchse der Pandora. Zunächst finde ich eine große, massive Scherbe, die ich nach viertägigem Schnellkursus problemlos als nicht mittelalterlich identifizieren kann. Der eilig herbeigerufene Claus bestätigt und spürt außerdem als nächste Überraschung eine frühmittelalterliche Pfeilspitze auf. Die Mittagspause kommt irgendwie ungelegen.

 

Am Nachmittag wechselt die Besetzung. Andi und Mirko müssen planmäßig wegen dringender Termine das Handtuch werfen, werden aber fließend durch Ines, Mariano und Moritz ersetzt. Weil die Sonne die Grabungsstelle zu 100% ins Visier genommen hat, ist ein konzentriertes Weiterarbeiten bald nur mehr mit bzw. unter Claus´Riesenschirm möglich. In dessen Schatten tauchen unzählige Scherben und Keramikfragmente auf, zwischendurch zur Abwechslung ein Hufnagel, Hüttenlehm, Knochen und eine Steinformation. Diese befindet sich genau an der Geländekante, Claus vermutet die Reste einer Wallanlage aus der Zeit der ungarischen Einfälle. Gearbeitet wird ab sofort nur mehr mit ganz viel Gefühl und mit Kellen, Spachteln und Besen und gefunden wird ständig. Fast wie im Zeitraffer ziehen verschiedene Zeitalter vorbei, wenn der Archäologe die Scherben datiert: Von der Jungsteinzeit ist die Rede, von Hallstatt- Urnenfelder- Latene- und Römerzeit. Gebrauchskeramik neben Grabkeramik mit Zahlenangaben, die ob der Tiefe Schwindel erzeugen….2000, 3000, 4000, 6000 Jahre. Mehrere Jahrtausende innerhalb weniger Stunden auf zwei Quadratmetern im scheins unerschöpflichen Reservoir dieses einen Schnittes ! Schwer zu sagen, ob es medizinische Studien zur Testosteronausschüttung gibt, wenn man andauernd uralte Keramikreste aus der Erde spachtelt, aber wenn es so etwas wie ein geschichtliches Wunschkonzert gibt – hier und jetzt wird es gespielt.

 

Die Galavorstellung der keltischen, illyrischen und jungsteinzeitlichen Keramik-Philharmoniker endet leider pünktlich um 17 Uhr. Beim Abstieg über den Zehendner auf Wolke 7 begleitet mich nicht nur die Euphorie, da streift mich auch die Vermutung, dass der Gipfel dieser Tour erreicht ist und die zweite Grabungswoche ein deutliches Gefälle aufweisen könnte. Dazwischen jedenfalls wird ein Wochenende in der Gegenwart liegen, neuerdings ein ungewohntes Gefühl.

 

Tag 6

 

Just another magic Monday. Neue Woche also, dazu neues Wetter. Stark bewölkt und deutlich kühler gehen die Arbeiten am Kraftort mit neuer Energie weiter. In Gleichheit und Brüderlichkeit wird der „Esoterik-Schnitt” mit Mirko, Andi und Franz erweitert, Claus ist wie immer Dauer-Hansdampf in allen Gassen und Gruben, er veranstaltet neben der Arbeit mit unnachahmlicher Eloquenz kurze Führungen für zufällig vorbeiwandernde Touristen oder gezielt landende Hufnagel-Experten wie unseren bayrischen Hufschmied Gerd, der am Nachmittag unmittelbar nach unseren Pferden die Kampagne in Augenschein nimmt. Zahlreiche Funde in der obersten Erdschicht und im darunterliegenden Lehm, wie schon am Freitag ein Mix aus verschiedenen Epochen. An schöne Dinge gewöhnt man sich gerne und schnell. Zusätzlich taucht ein großer, ovaler Stein auf, den Franz gerade an diesem Ort für ganz und gar  nicht zufällig platziert hält. Auch die Archäologie hat einen Verdacht: Ein Brandgrab bzw. der „Deckel” davon ? Das Achselzucken der Grabungshelfer signalisiert….. relative Ahnungslosigkeit. Mit Kellen und Spachteln wird äußerst behutsam um den Stein herumgeschürft.

 

In der Mittagspause ist, wie so oft, grabungsphilosophisch zwar immer irgendwo Not am Mann, aber aus den verschiedenen Meinungen entstehen häufig gute Ideen oder wenigstens Ahnungen, die der vermeintlichen Wahrheit nahe kommen. Pünktlich nach Mirkos alltäglicher Kaffeehauskultur öffnet der Himmel seine Schleusen und Claus´ Freitags-Sonnenschirm wird in Windeseile zum willkommenen Montags-Regenschirm umfunktioniert. Wettertechnisch erzwungene Grabungspausen müssen weder trüb, noch trostlos sein. Vier (mehr oder weniger) erwachsene Männer stehen, wie in einer mittelalterlich anmutenden Verschwörungsszene, unter einem schützenden Schirm mitten im Wald und schürfen auch ohne Werkzeug in persönlichen Gesprächen erschreckend tief. Überraschende Details kommen ans Tageslicht, die in diesem Text unmöglich veröffentlicht werden können. Zu früh lässt der Regen wieder nach und erlaubt eine abwechslungsreiche Arbeitsmischung aus Grabung (Andi, ich), Vermessung, Dokumentation (Mirko, Claus), Metalldetektor-Suche (Andi, Mirko, ich) und Fachvortrag (Claus). Mit Gerds Hilfe wird aus einem alten Nagel ein alter Hufnagel, Andi und ich umrunden langsam die Steine. Unbeteiligte könnten uns anhand der kindlichen Freude bei jedem Fund längst als bekennende Grabungs-Junkies identifizieren, im hinteren Bereich des Schnitts erhärten weitere Steine und kleine (menschliche ?) Knochenreste den Brandgräber-Verdacht. Gegen Feierabend kommen nicht nur Heinz und Anne vorbei, aus Nordwesten nähert sich auf noch leisen Sohlen eine massive Gewitterfront. Während die Kollegen in aller Seelenruhe Gedanken und Werkzeuge sortieren, erkenne ich den Ernst der Lage im Ansatz und mahne freundlich, aber entschieden zur Eile. Erstmals und aus gutem Grund fährt das Vetterlingomobil im vierten Gang und mit hoher Drehzahl:

 

Kaum haben wir den Hof erreicht, treffen auch schon Blitz, Donner und schwerer Regen ein. Das nennt man dann wohl „Happy End”.

 

Tag 7

 

Ein „Land-Unter-Tag”, in jeder Hinsicht. Völlig unpassend wirft mich unmittelbar vorm Umdrehen des Zündschlüssels ein Migräneanfall zurück ins Bett, Mirko und Claus machen sich notgedrungen ohne mich auf den Weg. Eine Stunde später sehe ich wieder einigermaßen klar und folge unauffällig. Die beiden sind gerade mit Vermessungsarbeiten beschäftigt. Nachdem mir Claus glaubhaft versichert hat, ich hätte schon besser ausgesehen und nachdem mich Mirko kurz zur Seite genommen und mit eindringlichen, rührend-väterlichen Gesundheitsratschlägen versorgt hat, verziehe ich mich ein wenig bleiern in die Einsamkeit des „Esoterik-Schnitts” und grabe dort als 85jähriger weiter. Ein paar Scherben später dreht Petrus am späten Vormittag erneut und massiv den Wasserhahn auf. Nach kurzer, abwägender Diskussion stellt sich (wohl vom gestrigen Gewitter untermauert) so etwas wie liebevoller Respekt vor meinen Wetterkenntnissen ein, die Arbeiten werden wegen völliger Sinnlosigkeit eingestellt. Bei strömendem Regen schlittern wir fluchtartig und frischgeduscht über den Zehendner talwärts.

 

Der kurze Grabungstag endet bei Kaffee, Tee und Suppe am wärmenden Herdfeuer in der Küche. Alle nachfolgenden Dienstags-Termine fallen ins Wasser und müssen verschoben werden.

 

Tag 8

 

Wetter- und Stimmungsbesserung. Nach nächtlichem Regen ist es zwar häufig trüb, aber zwischendurch zeigt sich freundlicherweise auch die Sonne. Die Nacht war wieder zu kurz, wenigstens macht sich diesmal ein 65jähriger mit Claus und Mirko ans Werk. Die beiden setzen unverdrossen ihre Vermessungsarbeiten fort und konservieren die Schnitte digital mit dem Fotoapparat. Unterdessen arbeite ich mich im „Esoterik-Schnitt” bis auf den gewachsenen Felsen nach unten. Unterwegs löst sich wegen fehlender Asche die Brandgräber-Theorie in Luft auf, in den darunterliegenden Schichten finden sich keine menschlichen Hinterlassenschaften mehr. Zeigt sich der Trias-Dolomit im vorderen, „gebrauchten” Bereich noch spröde und zersplittert, präsentiert er sich weiter hinten unbenützt und glatt wie ein Babyhintern, in den Vertiefungen hat sich ockerfarbener, feiner Sand angesammelt. Ein kurzer Blick in den Schnitt und seine Schichten genügt: Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum hier keine Bäume oder wenigstens Sträucher wachsen.

 

In der Mittagspause kommen mit Ines, Claudia, BB und Tilda nicht nur kurzweilige Archäologie-Touristen, sondern auch vom aggressiven Grabungs-Virus befallene Wauberg-Groupies. Ines und Claudia verschwinden nämlich für längere Zeit im tiefen „Burg-Schnitt”, bearbeiten diesen sorgfältig nach und werden prompt mit weiteren Knochen- und Keramikfunden belohnt. Auch Claus bekommt Besuch von Bekannten. Unter diesen befindet sich praktischerweise eine Biologin, die sich ebenfalls an der Lösung des „Kraftort”-Rätsels versucht und uns mit weiteren Theorien (Wildverbiss ? Trockenzone ?) versorgt. Keine davon erscheint mir jedoch schlüssig genug, um das gänzliche Fehlen von höherer Vegetation an diesem Ort zu erklären. Für mich geht der Punkt weiterhin klar an Franz und die Energetiker.

 

Der Rest-Mittwoch ist zwecks Vermeidung von Terminkollisionen minutiös verplant, mit fortschreitendem Nachmittag wird die Zeit langsam knapp –  ich muss mit Claus und Mirko zu einer kurzfristigen Talabfahrt antreten. Unten am Hof ist nämlich eine kleine, reizend improvisierte Präsentation für den Villacher Bürgermeister anberaumt, mit anschließendem Lokalaugenschein auf dem Wauberg. Ein Kunststofftisch wird mit einem weißen Leintuch eher bescheiden, fast spartanisch, aber in Windeseile zu einem rustikalen archäologischen Buffet umgebaut. Darauf drapiert Claus chronologisch und gekonnt die Filetstücke aus den schwarzen Fundeimern. Pünktlich trifft die kleine Delegation aus Villach ein, den Bürgermeister begleiten lediglich ein Fotograf und ein Pressemann. Im Schatten unserer Ringlotte zieht der Expeditionsleiter alle Register ziehend so etwas wie eine vorläufige Grabungsbilanz, die mit der detaillierten Erläuterung der gefundenen keramischen, metallenen und knöchernen Beweise ausgesprochen positiv ausfällt. „Universum History – Live !” ist erfolgreich und informativ absolviert, Claus muss stante pede weiter nach Maria Saal, um die nächste Baustelle zu besichtigen. Mirko übernimmt im fliegenden Wechsel die Betreuung der Villacher und wird dabei von Andi unterstützt. Ich bin, wie immer, für den Hin- und Rücktransport zuständig. Auf Heuballen im schunkelnden Anhänger geht es zu den Originalschauplätzen. Leider ertappe ich mich dabei, aus der Tugend eine Not zu machen: Ich fahre überwiegend mit Samtpfoten und meistens im zweiten Gang. Wir sind also nicht nur diszipliniert, sondern auch flexibel. Am Zehendner hingegen muss sich jeder ehrlich eingestehen, dass dieser rustikale Steig nicht unbedingt ein heiterer Sonntagsspaziergang ist. Nach überstandener Strapaze steigt schließlich auch das Stadtoberhaupt mit Wauberg-Guide Mirko in die Tiefe der Zisterne und findet dort anerkennende Worte. Was nicht ganz unwichtig ist, denn die Forschungs-Grabung wird von der Stadt Villach finanziert. In der Zwischenzeit versorge ich die Foto- und Pressemänner mit handfesten Fakten und persönlichen Eindrücken. Sämtliche Übungen gelingen. Und doch stelle ich mir zwei Tage vor der Ziellinie drei wichtige Fragen:

Was war denn ?

Was kommt noch ??

Was bleibt am Ende ???

Tag 9

Zehn kleine Ausgräberlein. Claus und ich bilden das klitzekleine Donnerstagvormittagsteam, der Personalstand ist dramatisch gesunken. Große Sprünge sind wegen nachfolgender Termine ohnehin nicht möglich, bereits kurz nach 10 müssen wir wieder den Rückzug antreten. Bis dahin stehen letzte Feinarbeiten im „Esoterik-Schnitt” an, nicht unbedingt meine Lieblingsbeschäftigung. Ich merke es an der fehlenden bedingungslosen Bereitschaft, der Nachwelt ein perfektes Profil zu hinterlassen. Claus holt mich aus der Bredouille, ich darf ihm bei abschließenden Vermessungsarbeiten behilflich sein.

Zu Hause wartet der Alltag, der manchmal auch profan und deprimierend sein kann. Oder beides. Pepsi, unsere mit allen Wassern gewaschene 17jährige Haus-Hof- und Flugkatze, bis zuletzt eine grau-weiße Eminenz, ist leider über den Jordan gegangen. Gestern noch hat sie den roten Kater geohrfeigt und mich angefaucht, heute muss ich ein kleines Grab schaufeln. Außerdem sollte dringend der hohe Rasen gemäht werden. Fast wie im richtigen Leben, schlimm genug.

Mitten am Nachmittag befinde ich mich aber schon wieder mitten in der Eigendynamik einer Grabungskampagne mit ganz eigenen, also anderen… Gesetzmäßigkeiten. Mit Mirko, Claus und einem netten Herrn vom Bundesdenkmalamt geht es zum nächsten offiziellen Wauberg-Besichtigungstermin. Der Zehendner lässt im Schweiße seines Angesichts wirklich niemanden kalt. Ansonsten werden schöne Funde präsentiert, die einzelnen Schnitte analysiert, gewonnene Erkenntnisse weitergereicht, positive Bilanzen gezogen und – es wird eine weitere Grabungen in Aussicht gestellt. Zwecks Bodenhaftung bleibt das weitere Schicksal der Zisterne weiterhin unklar, zum Abschied gibt es die nächste freie Meinungsäußerung zum fehlenden Kraftort-Bewuchs: Eine Windschneise !!! Wieder ein Erklärungsansatz, der bereits im Ansatz scheitert. Die Liste der Theorien wird aber zumindest quantitativ immer länger, eine Lösung des Rätsels ist vorerst nicht in Sicht. Zurück ins Tal.

Lediglich Claus muss später erneut ins Wauberg-Fitnessstudio, zwei Restauratorinnen werden die Zisterne und deren Überlebenschancen bewerten. Es sieht nach einer schweren Wiedergeburt aus.

Allen individuellen- und fachspezifischen Unterschieden zum Trotz gibt es am Abend die (wegen des Wetters vorverlegte) finale Grabungsfeier. Frei nach dem Motto „Ende gut – alles gut” wird es eine weitere, lange und vergnügte Nacht am Lagerfeuer. Auf der Glut landen die üblichen Verdächtigen, Bierologe Claus kredenzt erneut 15 Liter fränkische Glückseligkeit, diesmal jedoch von Penning Zeißler (http://www.bier.by/gastro-guide/penning-zeissler-1599-1.58699). Sen-sa-tio-nell. Selbst wenn sich in manchen Gesichtern mehr oder weniger deutliche Spuren der Grabungsstrapazen offenbaren, abgesehen von Kurt, Andi und Lilly (jeweils beruflich verhindert) haben sich alle eingefunden, die direkt oder indirekt daran beteiligt waren, die alten Fenster auf dem Wauberg aufzureißen und zu lüften:

Mirko, Claus, Franz, Herbert. Ines, Mariano. Dazu Claudia und Nadja. Außerdem Anne und Heinz, unsere oft lebensrettenden Heinzel(m)ännchen.

Jetzt endlich verstehe ich die Tradition der Grabungsfeiern, deren tieferen Sinn und ein Stück weit macht sich im warmen Schummerlicht der lodernden Holzscheite so etwas wie…allgemeine Zufriedenheit breit. Reden werden gehalten, Pläne werden geschmiedet, Aufbruchsstimmungen werden verbreitet. Als Lebenszeichen der eingeborenen Braukultur spendet Mirko im Rahmen einer (für seine Verhältnisse sehr emotionalen) kleinen Ansprache last but not least auch noch ein 5-Liter-Fässchen aus Maria Gail (http://bierseite.at/Turmbraeu.htm). Kaum zu glauben: Trotz diverser Umwege und ansatzweiser Holzwege ist diese mehr zufällig als geplant zusammengewürfelte Patchwork-Truppe irgendwie doch noch im Ziel gelandet. Ein Hauch von Glück, mindestens.

Tag 10

Der Freitag bringt als letzter Tag der Waubergexpedition viele Wolken mit dem einen oder anderen Regenschauer. Es geht auf die Zielgerade. Ein letztes Mal (es werden schließlich mehrere letzte Male) mit Mirko, Claus, Herbert und einem Schubkarren (ein praktischer (Zu)Grabungshelfer) über den Zehendner-Steig. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass aus den Arbeits- und Projektpartnerschaften längst Freundschaften geworden sind, die Gespräche und Planungen verlaufen schmerzlindernd und rational. Allerdings ist das Zuschaufeln von vier Schnitten nicht gerade eine intellektuell und handwerklich anspruchsvolle Tätigkeit. Probleme macht nur der Regen, der uns zu einer dreiviertelstündigen Arbeitsunterbrechung zwingt. Mirkos alltägliche Kaffeepause, welch ein Segen….fällt dank Claus´ Multifunktionsschirm (dieser schützt nicht nur vor Nässe und Tristesse, sondern ermöglicht trockene Kommunikation) trotzdem nicht ins Wasser. Als der Regen nachlässt, stürzen wir uns wieder an die Schaufeln und erhalten außerdem willkommene Verstärkung von den archäologischen Urlaubs-Azubis Claudia und Nadja. Beinahe im Handumdrehen sind (bis auf die Zisterne) sämtliche Spuren der Grabungskampagne beseitigt. Im „Esoterik-Schnitt” wird auf Mirkos besonderen Wunsch eine kleine Fichte gepflanzt. Wird sie jemals groß werden ?

Die abschließende Wahrheit lautet jedenfalls : Es ist vorbei !!!! Es gibt tatsächlich emotionale Grenzfälle und deshalb bin ich zeitgleich glücklich und traurig.

Jetzt gilt es nur mehr, Werkzeug, Equipment und Erinnerungsstücke unfallfrei vom Berg zu schaffen. Mein allzu zuversichtlicher Versuch, zwei massive Souvenirs in einer Kunststoffplane und im Schubkarren über den Zehendner nach unten zu befördern… scheitert schon…sehr bald, wie nicht anders zu erwarten… und in folgender Reihenfolge… an logischen Naturgesetzen: Gefälle, Fliehkraft, Erdanziehung. Die Schwerkraft triumphiert natürlich und am Ende ist ja jeder Mensch ein Archäologe: Jeder sucht zwar, aber nicht jeder findet.

So besteht dann doch noch etwas Hoffnung für die Vergangenheit.

Nachsätze:

In der Zwischenzeit bin ich unversehens selber zum unbezahlten Wauberg-Fremdenführer geworden und muss ernsthaft befürchten, von interessierten Gästen noch öfter über den Zehendner in den

frühgeschichtlich-mittelalterlich-energetischen Zeugenstand gebeten zu werden. Meine Frau schenkt mir Grabungsleitfäden. Das Bundesdenkmalamt ruft an. Eine Wauberg-Bruderschaft ist in Planung. Es gibt sogar schon ein „Wauberg-Lied” zum Mitsingen. Der Projektkoordinator für Rad- und Wanderwege hat längst Witterung aufgenommen, der Tourismusverband zeigt Interesse. Die Presse nimmt sich – wenn auch nur sehr oberflächlich – des Themas an. Es gibt erste Indizien für eine Fortsetzung. Meine Güte, Menschenskinder !!!!

Kaum zu fassen, nicht zu glauben.

Letzter Nachsatz:

Mirkos kleine Versuchs-Fichte, am 19. Juni sehr optimistisch und ganz zentral in den „Kraftort” gepflanzt….hat leider nicht einmal den Juli überlebt. Wer Mirko kennt, weiß natürlich, dass der deshalb nicht gleich die Flinte ins Korn werfen wird. Ganz im Gegenteil: Er plant das Experiment – in Martin-Luther-Manier – mit einem Obstbäumchen fortzusetzen.

„Die ganze Welt ist voller Wunder” (Martin Luther, 1483-1546).