Die Stille, die Vergänglichkeit und die Erosion irgendwo zwischen 70 und 130

Von Hansi Mikl

Eine heiter-besinnliche Zeitreise in die etwas andere Welt von Moggessa di Qua´ und Moggessa di La´

Sucht man Mogessa di Qua´ im Vorfeld auf Google Earth……um von oben zu sehen, was einen unten erwartet……. erhält man prompt die nur bedingt optimistische und wenig wahrheitsgetreue Auskunft:

Der Ort Moggessa di Qua´ist unbekannt !!!!!!
Gibt man stattdessen Moggessa di La´ ein, scheitert man ebenfalls und kommt zum Resultat:

Diese Orte müssen tot sein !!!! Was dann nicht ganz richtig ist, denn sie sind nicht ganz tot. Aber fast, denn Moggessa di Qua´ und Moggessa di La´ liegen im Sterben. Es sind von Gott, der Welt und den Menschen verlassene, halbverfallene uralte Bauerndörfer ohne Zufahrtsstraße und ohne Zukunftsperspektive im vielleicht erodiertesten Teil der Karnischen Alpen, gute drei Kilometer nordwestlich von Moggio Udinese. Allerhöchste Zeit also für einen Krankenbesuch, ehe es zu spät ist.

Beide Moggessas sind sogenannte „Hideaways”. Verborgene, abgelegene Orte, die von großen Touristenströmen stets verschont bleiben, weil sie nur mit Müh und Not und schlimmer noch – nur zu Fuß (!!!!) erreichbar sind. Wer die ultimative Stille sucht, ist dort richtig.

Psychiatrische Betreuung bei einer solchen Rundwanderung, die eigentlich sogar den Tatbestand einer Zeitreise erfüllt, muss nicht automatisch hilfreich sein, kann es aber. Noch dazu wäre ich ohne meinen Psychiater an diesem Tag bestimmt ganz woanders und umgekehrt. Eine symbiotische Seilschaft auf einer Wellenlänge, zweifellos, und das, obwohl ich eigentlich Probleme mit der Rolle des Patienten habe.

Der Sommer hat sich am letzten Aprilwochenende gravierend in der Jahreszeit geirrt und überflutet die Landschaft nicht nur mit Sonne, sondern auch mit Temperaturen im 30-Grad-Bereich. Als wir jedoch am Sonntagvormittag den in die Jahre gekommenen MPV vor dem Kloster San Gallo in Moggio Udinese verschnaufen lassen, spannt sich ein dünner, meist sonnenstrahlenresistenter Aluminiumfolienhimmel über Friaul.

Hier beginnt nicht nur unsere Tour, sondern auch die Geschichte beider Mogessas, denn die Gründung der Dörfer erfolgte im Mittelalter auf Befehl des hiesigen Abtes. Wie oder warum er auf diese Idee kam, ist leider nicht näher überliefert.

Schon nach wenigen Minuten lassen wir Moggio di Sopra, eine wenig fotogene Katze, den letzten Asphalt, die Zivilisation und ihre Nebengeräusche hinter uns. Die einzige Verbindung der aussterbenden Ortschaften zur modernen Außenwelt ist ein steil ansteigender uralter Saumpfad, der sich in Serpentinen am Rio di Palis entlang hinauf ins Gebirge zieht. Auf diesem Terrain können motorisierte Fortbewegungsmittel direkt das Handtuch werfen, hier rackerten sich jahrhundertelang als einziges Transportmittel ganze Generationen von Maultieren ab. Der schmale Weg durch den bewaldeten Graben ist größtenteils mit Steinen gepflastert, geschickt befestigt, mitunter stufenartig und fügt sich perfekt ins schwierige Gelände. Besonderen Wert haben die Erbauer offensichtlich stets auf das dauerhafte Ableiten des Oberflächenwassers gelegt.

Der Psychiater hingegen ist schon bald mit dem Ableiten von Oberflächenschweiß beschäftigt, denn zur ordentlichen Steigung und den warmen Temperaturen gesellt sich außerdem ein ziemlich voller Rucksack. In Ermangelung eines solchen kann ich viele Details am Wegesrand studieren und bei Bedarf mit der Kamera festhalten.

Nach einer guten Stunde sitzen wir oben auf dem Sattel und pausieren kurz neben einem Bildstock. Bei dieser Gelegenheit überprüft der gewissenhafte Mediziner unseren Puls und ist, weil zwischen 70 und 130 (relativ) zufrieden. Ab sofort geht es leicht bergab und schon bald öffnet sich der Wald zu einem spektakulären Blick über den wilden Talkessel am Fuße des Monte Palevierte (1785 m). In dieser Gegend hat man wahrscheinlich irgendwann das zutreffende Wort „unwegsam” erfunden, denn dieses Wort trifft hier den Nagel mitten auf den Kopf:

Das Gelände ist so etwas wie ein riesiger Abenteuerspielplatz, der sich täglich verändert, weil die Erosion hier mit größerem Nachdruck arbeitet als anderswo, erschwerend kommt die geologische Instabilität der Region hinzu. Völlig von Gräben, Rinnen, Gebirgsbächen und tiefen Schluchten durchzogen erlebt man Plätze, die man sonst nur aus Träumen oder Alpträumen kennt. Fast mediterran anmutende Bergwälder prägen diesen Teil der Carnia, besonders malerisch erscheint die elegante Grafik knorriger Schwarzkiefern am Gegenhang. Mittendrin, ob Fata Morgana oder nicht, kann man die Umrisse von Häusern erkennen und erahnt auf Anhieb, warum man hier niemals eine Straße bauen wollte. Die ersten Enziane des Jahres haben sich zum Blühen entschlossen, kleine Eidechsen ergreifen sofort die Flucht und suchen im warmen Geröll Schutz, während unser Proviant einem Großangriff riesiger Waldameisen ausgesetzt ist. Unmerklich taucht man mit jedem Schritt tiefer in eine bemerkenswert ruhige Welt ein, in der Motorengeräusche nicht die Regel, sondern die seltene Ausnahme sind. Lediglich irgendwo im Westen röhrt auf mittlerer Frequenz eine Motorsäge. Riesige Felsbrocken haben den Weg zertrümmert, ein klaffendes Loch muss bergseitig umgangen werden. Unterwegs finden sich allenthalben verwitterte Steinkreuze mit verblassenden, kaum mehr entzifferbaren Inschriften aus längst vergangenen, besseren Tagen. Ständige Begleiter sind außerdem kunstvoll gesetzte Trockenmauern, welche meist moosbewachsen das uralte Wegenetz säumen. Im Wald tauchen verwilderte Obstbäume als weitere Vorboten von Mogessa di Qua´ auf. Übermannsgroße Schösslinge überwuchern einstige Wiesen und Felder, eine erste Ruine erinnert an die vergangene Existenz von Leben und von Menschen in ihren Mauern.

Wir sind da. Aus einem rostigen Eisenrohr tropft es spärlich in einen riesigen länglichen Steinbrunnen. Wo früher gewaschen oder das Vieh getränkt wurde, tummeln sich jetzt Kaulquappen als natürliche Profiteure des Zerfalls. An dieser Stelle erster Gegenverkehr in Form zweier verschwitzter Mountainbiker, die, ein freundliches „Salve” abfeuernd, an uns vorbeizischen.

Eine Schlange beendet schimpfend ihre Siesta auf einer warmen Steinmauer und verschwindet, ehe wir sie identifizieren können, in einer Ritze. Dem angrenzenden Ensemble fehlen zwar Dach und Fenster, aber die hölzerne Eingangstür präsentiert sich einstweilen noch, obwohl wüst von Efeu bedrängt, als malerischer Zeitzeuge. Das Ortsschild hängt noch schiefer als der Haussegen bei den meisten Gebäuden und so ganz weiß man nicht, was man von den unglaublichen Bildern halten soll, die das eigene Auge jetzt in großer Zahl und beklemmender Dichte liefert. Auch das Gefühlsbarometer schwankt unentwegt zwischen tiefer Ergriffenheit und purer Fassungslosigkeit, denn auf dieser Bühne aus entweder gerade noch intakten Steinhäusern und hoffnungslosen Ruinen wird ein Stück gespielt, welches die Vergänglichkeit menschlichen Seins überaus drastisch und eindrücklich thematisiert. Selbst im Niedergang verlieren die engen Gässchen wenig von ihrem herben Charme, selbst als halbzerfallenes Fragment fügen sich die Steinhäuser mit ihrer auf das Allerwesentlichste reduzierten Architektur harmonisch ins Landschaftsbild. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten noch 200 Menschen weitestgehend autark als Selbstversorger in Moggessa di Qua´, denn trotz der Höhenlage zeichnet sich das Gebiet durch ein mildes Binnenklima aus, welches uA den Anbau von Gemüse ermöglicht. Die Unzugänglichkeit, die kargen Lebensumstände und die mangelnden Zukunftsaussichten in Kombination mit zwei Weltkriegen erhöhten allmählich die Abwanderungsraten, das schwere Erdbeben von 1976 jedoch versetzte dem Ort bzw. vielen baufälligen Häusern den Todesstoß. Notquartiere konnten nicht aufgestellt werden und ein Wiederaufbau wäre zu teuer gewesen.

Da und dort jedoch finden sich zaghafte Spuren von neuem Leben in den alten Mauern, weil einige Individualisten ihre Freizeit unverzagt mit gelebter Nostalgie und mutigen Instandhaltungsarbeiten verbringen. Frischbepflanzte Gemüsebeete verbreiten Hoffnung, aus einem vertrockneten Rosmarin an einer Hausmauer sprießt behutsam neues Grün, aus einem Kamin qualmt es vorsichtig optimistisch .

Wir wechseln zum Karten- und Literaturstudium an den Ortsrand und nützen die willkommene Pause, um unsere Tanks mit Salami, Schinken, Käse und Brot aufzufüllen. Diesmal sind es deutlich kleinere, pfeilschnelle Ameisen, die sofort Interesse signalisieren.

Kurze, eher holprige Konversation mit zwei rustikalen Italienerinnen, die sich den Sonntag ebenfalls nostalgiewandernd um die Ohren schlagen, dann verlassen wir Moggessa di Qua´ in sentimentaler Grundstimmung und in nordwestlicher Richtung, um die große Schwester Moggessa di La´ in Augenschein zu nehmen. Die beiden Dörfer sind durch die tiefe Schlucht des Riu del Mulin spektakulär voneinander getrennt. Diese ist Teil eines eher unzugänglichen Schluchtensystems, welches von den Eingeborenen weite Umwege und die mühsame Überwindung teils beachtlicher Höhenunterschiede erforderte. Ein ganzes Labyrinth von steinbemauerten Wegen führt vom Dorf aus in die umliegenden Berge, die Verbindung nach Moggessa di La´ erscheint da vergleichsweise moderat und bietet landschaftliche Höhepunkte in Serie. Besondere Mühe hat sich der Riu del Mulin bei romantischen Badeplätzen in Form von natürlichen Becken und Bassins gegeben, dazwischen bieten riesige Felsbrocken maximalen Kletterspaß. Einzig die Jahreszeit scheint ein wenig ungünstig, denn das Wasser ist nicht nur kristallklar, sondern auch eiskalt. Unten in der Schlucht erkennt man außerdem die Reste der einstigen Dorfmühle, welche dem Gebirgsbach seinen Namen gab und die in den Sechzigerjahren ihren Dienst quittierte, ehe sie vom Erbeben zerstört wurde. Darüber spannt sich mit Hilfe von Stahlseilen nicht ganz alltäglich die örtliche Wasserleitung.

Nach einem kurzen Anstieg erreichen wir mit Moggessa di La´ das nächste Etappenziel. Ein wenig streng riechend und verschwitzt vielleicht, aber das Merkwürdige an so Extrem-Wellness-Wochenenden für Körper, Geist und Seele, ist, dass man nie so genau sagen kann, was man darunter überhaupt versteht, weil die Grenze zwischen Extrem-Wellness und XL-Muskelkater auf einem ziemlich schmalen Grat verläuft. Bei den meisten Frauen beispielsweise löst allein schon die Aussicht auf einen schönen Sonntag in einer „Entschleunigungs-Oase” (wie dieser ?) das wohlige Gefühl aus, etwas Gutes für sich getan zu haben. Die Kunst liegt halt in der Entschleunigung bei beschleunigter Pulsfrequenz.

Wie auch immer: Die erstaunlich geländegängigen Italienerinnen haben den Ort schon vor uns erreicht und es sich vor der klitzekleinen römisch-katholischen Kirche bequem gemacht. Für den Doktor der Psychoanalyse ein willkommener Anlass, um in wenigen Worten und mit ganz viel Text zwischen den Zeilen gewohnt eloquent über Vorzüge und Nachteile der weiblichen Anatomie zu philosophieren. Ein Endlosthema und schon sind wir wieder bei der Vergänglichkeit angelangt: Einen Friedhof sucht man hier vergeblich, bis 1960 gab es immerhin eine Schule. Der etwas größere der beiden Orte scheint trotz zahlreicher Ruinen in etwas besserem Zustand. Im verwinkelten Kern laufen mehrere schmale Gassen zusammen, manche Häuser verfügen über bemerkenswerte Steinportale und überall gibt es interessante Details zu entdecken: Antike Sonnenuhren (natürlich in Normalzeit), verblassende Malereien, morsche Holzbalkone, Anflüge von eleganter Architektur lassen auf bescheidenden Wohlstand zu Glanzzeiten tippen. Die Enge des Ortes verursacht fast so etwas wie Geborgenheit. Selbst an solchen Gefühlen nagt hier der Zahn der Zeit mit großem Appetit, während die etwas umfangreichere der beiden Italienerinnen das Gespräch mit dem Psychiater sucht. Völlig wertungsfrei kann ich mir ein kurzes Grinsen nicht verkneifen und bin gleichzeitig erleichtert, nicht ganz in das Beuteschema dieser Dame zu passen.

Unser Zeitplan lässt uns wenig Spielraum und wir entkommen der Manndeckung auf dem Weg nach Stavoli. Es folgt der anstrengendste Abschnitt der Tour:

Tieeef hinunter, steil hinauf, erneut tieeef hinunter.

Kaum vorstellbar, dass dieser gewagte Pfad seit jeher die einzige Verbindung zwischen diesen Dörfern sein soll ?!!??!. Je weiter wir uns nach unten arbeiten, desto nachvollziehbarer wird die Annahme. Der stark abfallende Weg nimmt des Doktors Knie böse in die Mangel. Auch in mir keimt bei manchen Passagen die Erkenntnis, solche Herausforderungen schon deutlich eleganter und müheloser gemeistert zu haben. Vielleicht ist es auch nur der hartnäckige Virus, den mir meine Reitlehrerin zum Abschied geschenkt hat. In direkter Kombination mit den dichtgedrängten Arbeitsprogrammen der letzten Monate ließe sich die träge Schwerfälligkeit dann doch noch rosarot erklären.

Der Torrente Glagno entschädigt großzügig für den strapaziösen Abstieg. In diesem Bereich treffen sich mehrere Schluchten mit ihren Bächen zu absoluten landschaftlichen Höhepunkten. Man wähnt sich irgendwo im Nirgendwo, im ultimativen „Hideaway” am Ende der Welt. Keine Menschenseele weit und breit, nur das Rauschen des grünlich-türkis schimmernden Wassers in ebenso kargem, wie wildem Ambiente. Zunächst aber gilt es, den Fluss auf der Suche nach dem schönsten Lagerplatz und der Fortsetzung des Weges zu überqueren. Ich nehme von Fels zu Fels springend die Direttissima und habe beim vorletzten, rutschigen Brocken einiges Glück. Um Haaresbreite am kühlen Vollbad vorbeigeschrammt erfolgt die Landung am Westufer gerade noch trockenen Fußes. Siegmund Freud hingegen nimmt einen intelligenten Umweg in Kauf und überquert staubtrocken in souveräner Manier.

Die Pause am Torrente Glagno steigert sich zum puren Genuss, ich plane im Geiste schon die Erkundung der umliegenden Schluchten bei nächster Gelegenheit. Beim Auspacken des Rucksacks stellen wir leider fest, dass es das Brot vorgezogen hat, in Moggessa di Qua zu bleiben. Wechselseitige Schuldzuweisungen machen wenig Sinn, denn in der Not ……..schmeckt die Wurst ….auch ohne Brot.

In der Nähe des Lagerplatzes finden sich die Ruinen einer weiteren Mühle. Also musste das Getreide zum Mahlen von Stavoli hier heruntergeschafft, und anschließend wieder nach oben gebracht werden. Strenge Übung. Wir unterziehen uns notwendigerweise derselben Prozedur und verlassen schweren Herzens die Ufer des Torrente Glagno, um steil bergauf mit Stavoli den dritten der unerreichbaren Orte zu erreichen. 45 Minuten Zeit und Energie werden benötigt, Flora und Fauna entschädigen auf Schritt und Tritt.

Schließlich erwartet uns freundlich ein Bergrücken, der deutlich mehr Fläche, Möglichkeiten und Perspektiven bietet, als die Umgebung der beiden Moggessas. Obstbäume, Äcker, etwas Wein, dazwischen gärtnern in aller Seelenruhe zwei Frauen vor sich hin. Der Name Stavoli bezeichnet Häuser aus Naturstein und Holz. Das entspricht unbedingt den Tatsachen. Darüber hinaus wirkt Stavoli deutlich lebendiger und kompakter, fast wie ein kleines Städtchen. Im Unterschied zu den desolaten Nachbarorten nämlich wird Stavoli von Campiolo aus mit einer Materialseilbahn versorgt, welche die harten Wettbewerbs- und Lebensbedingungen etwas abmildert. Schon das erste Haus präsentiert sich, mit herrlichem Blick nach Süden, dekorativer Steintreppe, schönem Portal und gediegener Weinlaube als Geburtsort einer lokalen Berühmtheit – hier erblickte Egiziano Pugnetti (1847-1917), seines Zeichens Dichter, das Licht der Bergwelt. Obwohl ich keine einzige Zeile von ihm kenne und nichts von seinem Lebensweg weiß, vermute ich ganz stark, dass er entweder Romantiker oder Revolutionär werden musste.

Die Häuser der nun schon gewohnt engen Gassen sind zumeist gut in Schuss und überraschen mit architektonischen Stilelementen aus der Gründerzeit. Ruinen sind diesmal nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme. Überdurchschnittlich hoch erscheint die Anzahl der Brunnen, die politisch korrekt nicht nur der hart arbeitenden Bevölkerung, sondern (angeblich) auch den durstigen Rucksack-Tagestouristen gewidmet wurden.

Den Weiterweg hinunter nach Campiolo finden wir ungeschickterweise erst im dritten Anlauf. Vorbei an einer turmlosen Kirche (wie gewohnt ohne Friedhof) und einem gepflegten Lavendel-Feld tauchen wir bald wieder im Wald unter. Mit ziemlichem Gefälle geht es wieder bergab ins Tal des Torrente Glagno. Der Gesichtsausdruck des Psychiaters spricht Bände und verrät auch ohne Worte eine ganze Menge über den Sand im Kniegetriebe.

Wenigstens entschädigt die Streckenführung mit solider Infrastruktur aus dem 1. Weltkrieg und einigen teils spektakulären Abschnitten.

Unten am Fluss kommt dann beinahe etwas Wehmut auf, denn die in jeder Hinsicht außergewöhnliche Tour geht nun langsam aber sicher ihrem Ende entgegen. Zur Abwechslung wird der Torrente Glagno auf einer stabil zusammengeschweißten, aber sportlich wertlosen Eisenbrücke überquert. Die Strecke führt uns am linken Flussufer wohltuend gelenkschonend bergab und verwöhnt uns beim Abschiednehmen mit einer Menge unberührter Natur und zahlreichen attraktiven Bade(un)möglichkeiten (weil noch immer kristallklar, aber noch immer eiskalt).

Die Wanderung auf Wolke 7 endet abrupt mit der Überquerung eines Tunnels der Pontebbana wieder in der modernen Welt und auf dem asphaltierten Boden ihrer Straßen zwischen Campiolo und Moggio Udinese. 25minütige Langeweile mit Gegenverkehr und Abgasen. Lediglich eine Querfeldein- Abkürzung auf der Zielgeraden versorgt den Doktor und seinen Patienten mit einer unerwarteten letzten Dosis Adrenalin. Weil ziemlich unübersichtlich, verheddert man(n) sich, das rettende Kloster schon vor Augen, in der Sackgasse einer weiteren ungezähmten Schlucht. Mit der nötigen heiteren Gelassenheit, etwas Geduld und den richtigen Schlussfolgerungen finden die müden Gefährten aber in die Spur zurück und schließlich auch zum wartenden MPV.

Letzte Frage:
Wo begegnet man der real existierenden Tristesse ?

In Moggessa di Qua´ ??
In Moggessa di La´???
Oder eigentlich ganz woanders ????