Geheimnisumwitterte, sagenumwobene Arbeitsplätze in der Umgebung Teil II – Der Wauberg, seine Luftschlösser und seine Grabräuber

Von Hansi Mikl

Betrachtet man die Lage ganz nüchtern vom geologischen Standpunkt aus, so befindet sich Petschnitzen bzw. die „Bucht von Petschnitzen” in den allerwestlichsten Ausläufern des sogenannten „Mittelkärntner Triaszuges”, einer auf den ersten Blick gar nicht so spektakulären Kuppenlandschaft, die sich vom Faaker See ohne wesentliche Unterbrechungen bis zum Keutschacher See erstreckt. Besonders reizvoll, weil noch unverschämt ursprünglich und eher unerschlossen ist dabei …
…das wilde Tabor-Wauberg-Rudnik-Bleiberg-Hügelland, welches die „Petschnitzner Bucht” tiefbewaldet in die Zange nimmt und darüber hinaus zwischen den genannten Karstinselbergen eine Vielzahl unbenannter, aber ebenso steilhängiger und unwegsamer Kuppen aufweist. Wer die Gegend erstmals bequem mit „Google Earth” bereist, wird nicht gleich begeistert vom Stuhl fallen, aber wer, wie ich, ihre Brüche und Tiefen lebenslang aus nächster Nähe kennt, der hat eine Menge zu erzählen.Der Tabor und seine bis zu 100 Meter starke Konglomerattafel ( incl. weiser Frauen und erodierter Höhlen) wurde bereits in Teil 1 Opfer meiner Tastatur. In der Fortsetzung besuchen wir jetzt seinen unmittelbaren Nachbarn, den Wauberg. 689 Meter hoch, ein „in ziemlich scharfer Form herauspräparierter Kegelberg, der in den Niederungen der Drau fußt”. Rein fachgeologisch wäre jetzt zwar alles gesagt, aber meine Beziehungen zu diesem Berg gehen tiefer als der Triasdolomit, aus dem er besteht, denn sowohl die steile Südwestseite, als auch das Gipfelplateau befinden sich seit vielen Generationen im Besitz unserer Familie.

Als Kind schon hörte ich deshalb ziemlich lückenhafte, aber zumindest spannende Geschichten von einer längst vergangenen mittelalterlichen Burg auf dem Gipfel des Waubergs. Der Wahrheitsgehalt dieser Überlieferungen sank leider im Laufe der Zeit und mit zunehmendem Alter kontinuierlich von „aha, spannend” und „höchstwahrscheinlich” langsam hinunter zu „vielleicht” und weiter bis in die Niederungen von „völlig unwahrscheinlich”. Von Eroberung und Zerstörung war jedenfalls die Rede, von dunklen Geheimgängen und verborgenen Schätzen. Im Prinzip also die gängigen 08/15-Standardfloskeln, die sich um so ziemlich jedes verfallene Gemäuer ranken. Last but not least gab es sogar eine Wauberg-Sage, die es trotz furchtbar dünner Handlung bis in eine Druckerei und in weiterer Folge sogar in ein Buch schaffte. Daran kann man erkennen, wie das Unwissen die Kindheit bereichert und die Unkenntnis über detaillierte Zusammenhänge den frühen Lebensabschnitt unkompliziert macht – von entfesselnder „Erzählkunst” ganz abgesehen. Aber lesen sie die ungeschnittene, unzensierte Version (auf eigene Gefahr !!!!) selbst:

„In einiger Entfernung nordöstlich vom Faaker See liegt der Wauberg, im Volksmund nennt man ihn auch Schloßberg. Auf ihm stand einst ein Schloß, in welchem vor Jahrhunderten Raubritter gehaust haben sollen. Heute noch wird uns darüber bei den Leuten folgendes erzählt:

Eine Bäuerin aus der Gegend von Petschnitzen weidete einst auf dem Wauberg ihre Kühe. Vom Erzählen her wusste sie, dass dort ein Schatz vergraben sein soll. Die Frau kam der Anhöhe des Berges näher und gewahrte dabei die Mauerreste des einstigen Schlosses. Wie sie aber so an den vergrabenen Schatz dachte, der da liegen soll, kam es ihr plötzlich vor, als sei ihr jemand nachgefolgt. Als sich die Frau umdrehte, stand tatsächlich eine Mannsgestalt in Ritterkleidung vor ihr und dahinter folgte eine schwarz verhüllte Frau. Die Kuhhüterin erschrak nicht wenig und wollte fortlaufen. Aber sie wurde vom Ritter angesprochen: „Fürchte dich nicht ! Wir sind die Letzten vom Geschlecht, das auf dieser Burg gehaust hat. Wir werden erst Ruhe finden, wenn der Schatz gehoben ist, der im Keller dieses versunkenen Schlosses verborgen liegt”. Dabei zeigte er auf eine bestimmte Stelle des unheimlichen Ortes.

Die Bäuerin sah nach dem angedeuteten Platz und wollte sich wieder nach den beiden Gestalten kehren, da war von den beiden nichts mehr zu sehen. Sie glaubte an eine Begegnung mit Gespenstern und erzählte alles ihrem Bauer daheim.

Dieser war ein geldgieriger Mann und alsbald entschlossen, nach dem verborgenen Schatz zu graben. Und als er wirklich auf den Wauberg ging und an dem Schatzort zu graben anhub, hörte er plötzlich hinter sich Schritte. Als der Mann um sich schaute, wer ihm wohl folgte, bemerkte er nur, wie sich das Gras und die Blätter auf dem Boden bewegten, aber er konnte niemanden sehen. Da bekam er es jählings mit der Angst zu tun und lief über Stock und Stein davon. Dabei hörte er immer noch ein Rascheln auf dem Boden hinter sich her, als ob jemand folgen würde. So schnell er konnte, lief er nach Hause und sagte keinem Menschen, was er erlebt hatte.

Seither hat es keiner mehr gewagt, auf dem Wauberg nach dem verborgenen Schatz zu graben.”

Na ja.

Besonders dick wurde außerdem der romantische „Burgteich” aufgetragen, in dem sich angeblich die feinen, keuschheitsbegürtelten Burgdamen vergnügten, begeistert begleitet von edlen Rittern, während am Ufer in einer efeuumrankten Pergola drittklassige Minnesänger konzertierten. Dieser sagenhafte „Burgteich” existiert tatsächlich, allerdings ist er jährlich an ca. 350 Tagen staubtrocken und füllt sich lediglich zu Zeiten starker Schneeschmelze oder intensiver Regenfälle mit eiskaltem bzw. kaltem, und deshalb nur bedingt badetauglichem Wasser.

Mag ja sein, dass die Frauenwelt um 1300 so gänzlich ohne Bipa und DM, ohne Wellness und Anti-Aging, ohne Krankenkassen und Antibiotika, noch nicht so anspruchsvoll und relativ abgehärtet war, aber es waren wohl kaum tiefgekühlte Eskimodamen mit dem leichtsinnigen Hang zur todesmutigen Körperpflege.

Ich hörte deshalb zwar aufmerksam zu, blieb aber grundsätzlich skeptisch. Nicht nur, weil die jeweiligen Erzähler bei detaillierter Fragestellung schon bald den argumentativen Hinterausgang nahmen, sondern weil von der angeblichen „mittelalterlichen Burg” nicht nur sehr nur wenig, sondern eigentlich gar nichts mehr übrig ist. So ehrlich muss man schon sein. In einer Vertiefung auf dem eher kleinflächigen Gipfelareal finden sich (aber nur, wenn man sie sucht) mit Müh und Not eher dürftige, zisternenartige Mauerreste. Eine fragwürdige und in die Jahre gekommene Hinweistafel informiert den kurzweiligen Wanderer zwar im Brustton der Überzeugung und mit der Kompetenz des geschriebenen Wortes über die Einnahme (dh Zerstörung) der Burg hier an dieser Stelle im Jahre des Herrn 1521.

Soweit so gut. Aber – WO ist die angebliche Burg denn dann geblieben ????. Selbst wenn die arme Bauernschaft der Umgebung die Ruine ab 1521 als naheliegendes und preiswertes Baustoffdepot geplündert haben sollte – so ganz und gar und vollkommen in Luft kann sie sich trotzdem kaum aufgelöst haben. Möglicherweise ist die angebliche Burg lediglich ein Luftschloss ?.

Sicher ist immerhin: Der Gipfel des Waubergs ist ein starker energetischer Punkt, ein sogenannter Kraftort. Dort befinden sich zusätzlich auch spärliche, kaum erkennbare Reste menschlicher Existenz.

Weil aber bislang noch kein Archäologe Schaufel und Spaten in die Hand genommen hat, bleiben die oberflächlichen Diagnosen der Historiker bei einer abenteuerlichen Bandbreite mit unsicherer Trefferquote:

Manche vermuten auf dem Wauberg die Reste eines „nicht ausgegrabenen, im Gelände erkennbaren” langobardischen Kastells. Andere bevorzugen die Variante einer „kleinen, nicht mittelalterlichen Festungsanlage, welche den Drauübergang zu bewachen hatte”. Dritte glauben an die alten Römer als Schöpfer der Mauerspuren. Ich persönlich würde unbedingt noch die Illyrer oder noch lieber die Kelten mit ins Boot holen.

Für ein antikes Heiligtum bzw. eine vorantike Kultstätte sprechen zumindest die Funde.

1937 fand man neben Keramikresten auch ein Sigillata-Bruchstück. 1947 tauchte im Westhang endjungsteinzeitliche Keramik auf und im Gipfelbereich das Limesfalsum eines Asses aus der Zeit von Caracalla (ca. 211 n. Chr). Ich fand dort immer eine ganze Menge Waldarbeit, weil die uralten Föhren auf dem felsigen Terrain irgendwann das Handtuch werfen. Ich fand außerdem rostige Getränkedosen, absolute Ruhe und obendrein eine passable Aussicht. Vergangenheitsbewältigungsmäßig nicht wirklich aufschlussreich.

Ende der 1990er Jahre kratzte ich deshalb, unzureichend bewaffnet mit einer Schaufel, und mit einem Bekannten und dessen Metalldetektor ein wenig unter der Oberfläche herum. Der Zeit- und Arbeitsaufwand war gering, noch dürftiger war das Ergebnis…..ein paar alte Nägel, neuzeitliche Patronenhülsen und eine Pfeilspitze. Weil der Metalldetektorpilot den relativen Reinfall trotzdem an die große Glocke hängte, mutierte die klitzekleine Mücke bald zum übergewichtigen Elefanten. Die Aktion erfüllte, weil nicht nur bekannt geworden, sondern sogar schriftlich dokumentiert….. den akuten Tatbestand der Grabräuberei. Folgerichtig kam es in dieser Angelegenheit zu einer behördlichen Anklage und meine Visitenkarte erweiterte sich automatisch um die in unseren Breiten bestimmt nicht ganz alltägliche Berufsbezeichnung „Grabräuber”. (Zugegeben: Es gibt Geschichten, die zwar wahr sind, die aber trotzdem nicht zum Andiegroßeglockehängen taugen- also erzählen Sie´s nicht unbedingt weiter ;). Jedenfalls: Weil die verwaltungsbehördlichen Scharfrichter wegen einer Handvoll Alteisen im Zweifelsfall bei verhältnismäßig unbescholtenen steuerzahlenden Staatsbürgern auch zu sanften, fast antiautoritären Erziehungsmethoden greifen, kam ich bei der mündlichen Verhandlung mit einer strengen Ermahnung davon. Seither bin ich zwar bemüht, meine regionalgeschichtliche Neugier gesetzeskonform auszuleben, aber die offenen Fragen bleiben natürlich weiterhin unbeantwortet.

Sieht also ganz so aus, als würde sich das Abonnement des Dornröschenschlafes, in dem der Berg seit einer halben Ewigkeit versunken scheint, um ein paar weitere Perioden verlängern. Was zwar unbedingt meiner Vorstellung von sanftem Tourismus entspricht, aber: Seine Rätsel in Form von Stein, Keramik und Metall liegen vorerst gut behütet tief und unter den Wurzeln der knorrigen Kiefern verborgen und warten geduldig auf möglicherweise zukünftige Enträtselung.

Für den Ruhesuchenden jedenfalls bleibt der Wauberg weiterhin ein lohnendes Ziel, weil er ein wirklich stilles Örtchen ist. Obwohl man in einer Tourismusregion unterwegs ist, begegnet man dort oben nur in ganz seltenen Ausnahmefällen einer Menschenseele. Der spezielle Reiz an einer Wanderung dorthin besteht also in der fast vollkommenen Ungestörtheit (vom Wind in den Baumkronen und gelegentlichem Vogelgezwitscher vielleicht abgesehen), in der man sich – nicht zuletzt wegen der Steilheit des Geländes – bereits nach wenigen Schritten wiederfindet. Kurzatmige werden unterwegs mitten im Hang eine blutdrucksenkende Bank finden, deren Aussicht im Laufe der Jahre leider hoffnungslos zugewachsen ist. Letzte Ausreden im Schweiße des Angesichts entkräftet anschließend ein Stahlseil als willkommene Aufstiegshilfe für schlechte Tage und fortgeschrittenes Alter.