Seit 3 Jahren ein fix geplanter Teil unseres Kärntenurlaubs, 2 Jahre lang witterungsmäßig verhindert (2006 zu nass, 2007 zu heiß), heuer sollte es gelingen – der Techantinger Mittagskogel eingebunden in einer mehrtägigen Tour. Und eines schon einmal vorweggenommen – auch wenn wir jetzt schon einige Dutzend Berge erklommen haben und hoffentlich noch viele, viele weitere folgen werden, diese Tour gehört jetzt schon zu den Ereignisreichsten.
Aber erst einmal alles der Reihe nach. Am 15. Juli 2008 wurden wir von Heinz gegen 17:30 Uhr zur Baumgartnerhöhe gebracht, wo das Abenteuer startete. „WIR”, das waren Hansi, Mariano, Kurt, Luisa, Severin und meine Wenigkeit. Die Temperatur war nach dem vortägigem Regen noch relativ kühl, zum Wandern allerdings optimal, die Wetterprognose verhieß trockenes Wetter. Unser Gepäck war relativ umfangreich, denn die Nacht ließ eher kühlere Temperaturen erwarten, somit war außer Jause und Getränke für 2 Tage, Schlafsack, Gipfelbiere, etc. auch noch lange Kleidung für die Nacht im Rucksack.
Der Weg führte auf dem uns schon bekannten Weg von der Baumgartnerhöhe beim Wasserfall vorbei bis hoch zur Mitzl-Moitzl-Hütte. Neu für mich war die Abendstimmung bei dieser Route. Alles erschien anders, der Wald, der Wasserfall, die Berge waren in ein sehr warmes Abendlicht getaucht, die schroffen Felsen, die steilen Hänge, aller erschien eher harmlos und sanft – allerdings nur optisch, denn meine Atemfrequenz glich bereits beim Wasserfall der einer Dampflokomotive. Bei der Wasserquelle füllten wir wie gewohnt noch unsere Trinkflachen sowie einen Wasserkanister zur abend- und morgendlichen Körperpflege, dann führte uns der Weg durch wunderbare Lärchenwälder mitten durch frisch blühenden Almrausch, der heuer ungewohnt spät in Blüte stand.
Die Ankunft bei der Mitzl-Moitzl-Hütte gut 1 ½ Stunden später war eigentlich ein Lichtblick, denn der Rucksack war meiner Empfindung nach mindestens doppelt so schwer als noch bei unserem Tourstart. Nach genossener Aussicht und Verzehrung unseres eingängigen Abendmenüs (Jausenbrote) richteten wir unsere Luxusunterkunft ein (Schlafsäcke auf dem Bretterboden, Teelichter) und sammelten noch Feuerholz für ein späteres Lagerfeuer.
Da wir den Sonnenuntergang vom Schwarzkogel aus beobachten wollten, brachen wir kurz nach 20 Uhr auf Richtung Gipfel. Obwohl ich den gleichen Weg schon einmal gegangen war, war die Lichtstimmung am Abend einzigartig. Der Himmel war tiefblau, die Vegetation saftig frisch und die gelbe Abendsonne gab die nötige Portion Wärme dazu. Am Gipfel angekommen präsentierte sich eine fantastische Aussicht in alle Himmelsrichtungen, die klare Sicht ließ einen Blick bis beinahe ins Unendliche zu.
Die Abendsonne senkte sich allmählich über dem Dobratsch und ließ eine einzigartige Stimmung zu, während der Himmel zeitgleich einem Feuermeer glich, bis die Sonne endgültig hinter dem Gipfel des Großglockners verschwand. Noch Minuten vorher glich der Horizont eher einer Unendlichkeit, aber allmählich übernahm vom Tal aufwärts bis zu uns am Gipfel des Schwarzkogels die Dunkelheit Oberhand und die Berge versanken langsam ins Schwarze.
Als Gruß an alle im Tal verbliebenen wurde pünktlich um 21:30 Uhr am Fuße des Gipfelkreuzes die „Dicke Berta” gezündet – NEIN, keine Hexenverbrennungszeremonie bei Vollmond, sondern lediglich zwei Feuerwerkskörper (2 x 7 aufeinanderfolgende Feuerwerke mit Sprühregen), die Hansi mitgebracht hatte.
Der hell leuchtende Vollmond begleitete uns schließlich wieder hinab bis zur Mitzl-Moitzl-Hütte, wo ich aufgrund der bereits stark nachgelassenen Temperaturen gleich einen First-Class-Platz beim Lagerfeuer einnahm. Bei „Underberg” beschlossen wir, diese Tour noch um einen Sonnenaufgang am Mallestiger Mittagskogel zu erweitern und einigten uns auf eine Weckzeit um 04:30 Uhr. Die Kinder bezogen gegen 23 Uhr ihre Schlafsäcke, wir Großen gingen noch einmal zum Aussichtsplatz, wo wir anhand der Beleuchtung einzelne Straßen zu deuten versuchten.
Aufgrund der herannahenden Weckzeit krochen auch wir schließlich gegen Mitternacht in unsere Schlafsäcke, während die Kinder schon im Tiefschlaf lagen. Eigentlich dache ich, dass man über Nächte, in denen man eigentlich nichts anderes als Schlafen im Sinn hat, nicht viel schreiben kann – in dieser wurde ich jedoch eines Besseren belehrt. Diese Nacht entpuppte sich zum einzigartigen Debakel. Aber auch hier der Reihe nach.
Zuerst war ich aufgrund der wunderbaren Eindrücke, die dieser gigantische Sonnenuntergang mitbrachte, nicht wirklich müde. Ich versank in meine Gedanken und wurde doch allmählich müde. Gerade als ich das Gefühl hatte einschlafen zu können, sanken die Temperaturen draußen noch weiter und die eisige Wind kroch nicht nur über mein Gesicht, sondern auch in meinen Schlafsack. Da half kein Wenden und Drehen, da half kein Gedanke an den beheizten Ofen, die warme Badewanne oder die Sauna – mir war einfach nur kalt. So würde das sicherlich nichts werden mit Schlafen, also kramte ich meine Regenjacke hervor, die ich bis dahin als Kopfkissen missbrauchte, und zog sie mir noch über. Meine Körpertemperatur stieg schön langsam wieder auf „Normaltemperatur”, und ich freute mich schon auf eine ruhige Nacht in der Prärie. Da wurde Mariano unsanft durch einen bösen Traum geweckt. Wieder mit weit aufgerissenen Augen wartete ich meine nächste Einschlafphase ab. Aber es fehlte das Kopfkissen – nur der Schlafsack auf dem Bretterboden und sonst nichts mehr unter dem Kopf, das war alles andere als gemütlich. Nutzt nicht Sabine – da musst du durch – müde genug bist du ja! Es dauerte nicht lange, als ich durch rasselnde Geräusche, Stimmen sowie dumpfe Schritte, die die Holztreppe empor trampelten, wieder hellwach wurde. „Die Bergrettung ist da!!!” stellten sich die nächtlichen Besucher vor. Allgemeine Wachheit sowie Verwirrtheit!!! Jemand im Tal hatte unser nächtliches Feuerwerk für einen Notruf gehalten und eine gigantische nächtliche Rettungsaktion ins Rollen gebracht: Bergrettung, Alpinpolizei, Hubschrauber mit Nachtsichtgeräte – und Schuld war – „Die dicke Berta”! Da waren plötzlich um 01:30 Uhr jede Menge Leute auf den Beinen – auch wir!!! Die Jungs nahmen es halbwegs mit Humor, bestellten den Hubschrauber, der extra von Wien herbestellt war und bereits über Klagenfurt kreiste, wieder ab, und zogen wieder durch die Dunkelheit davon. Es folgte eine kurze Diskussion unter uns, ob unser Feuerwerk nicht als solches erkennbar war, sowie allgemeines Kopfschütteln. Da wir ja bald wieder aufbrechen wollten, legten wir uns wieder zum Schlafen nieder. Noch leicht verwirrt und wieder hellwach lag ich da in meinem Schlafsack, während die kalte Luft weiterhin über mein Gesicht streifte und alles andere als ein wohliges Gefühl hinterließ. Ich machte mir Sorgen, ob es den Kindern nicht auch zu kalt war, konnte aber beruhigt deren tiefes ruhiges Atmen vernehmen. Ich wälzte mich auf die rechte Seite, auf die linke Seite, auf den Rücken……langsam begannen Körperteile zu schmerzen, von denen ich bisher nicht einmal wusste, dass diese auch weh tun können. Nach langem hin und her fand ich endlich meine Schlafposition auf dem Bauch liegend, als mir ganz sonderbare Gedanken durch den Kopf kreisten (welche Krabbeltiere würden mir in den Mund kriechen, während ich auf dem Bretterboden der Hütte schlief?…..). Ich fühlte, wie langsam aber sicher die Kälte wieder durch meinen Schlafsack kroch und machte mir eine zeitlang ernsthafte Überlebenssorgen. Der Gedanke, dass zwei Tage zuvor 2 Bergläufer erfroren sind, beruhigte mich nicht im geringsten Maße. In regelmäßigen Zeitabständen horchte ich auf die Atemgeräusche und das Schlafsackrascheln der anderen – auch so kann man einige Stunden verbringen.
Das Rasseln von Kurts Wecker pünktlich um 04:30 Uhr war eine Erleichterung sondergleichen. Ich war noch nie so froh, dass ich aufstehen durfte!!! Und das beste war – es erging allen gleich, lediglich die Kinder fanden in dieser Nacht etwas Schlaf, Kurt und Hansi taten ebenfalls die ganze Nacht kein Auge zu. Trotzdem verspürte keiner von uns Müdigkeit, und so machten wir uns gegen 5 Uhr auf den Weg zu unserem Sonnenaufgangsgipfel, dem Mallestiger Mittagskogel.
Die langsam aufkommende Helligkeit wirkte ganz im Gegenteil zum vorherigen Abend kühl. Während des Anstieges zum Gipfel fühlte ich zum erstemal seit Stunden wieder etwas Wärme in meinen Gliedmaßen, an Hitze war jedoch noch lange nicht zu denken.
Pünktlich um 05,30 Uhr waren wir am höchsten Punkt des Mallestiger Mittagskogel und blickten in Richtung Wörthersee, wo die Sonne nicht lange auf sich warten ließ. Obwohl das Licht aufgrund der leichten Dunstfelder im Tal weiterhin kühl wirkte, war das Schauspiel der Sonne nicht minder beeindruckend als am Vorabend.
Das Licht- und Schattenspiel, welches die Sonne im Tal hervorrief, lieferte uns alle paar Minuten andere Eindrücke. Fasziniert vom Naturschauspiel gönnten wir uns unser Frühstück (Kakao und Kaffee aus der Dose).
Nach einem kurzen Abstecher zum Gipfelkreuz des Mallestiger Mittagskogel führte unser Weg weiter entlag der österreichisch-slowenischen Grenze in Richtung Westen durch wunderbare Latschenfelder, Schafweiden, von Murmeltieren bewohnten Almen, vorbei an Gämsen bis zum letzten Anstieg auf den Techantinger Mittagskogel. Der Weg erschien sehr wenig begangen, die Naturschönheiten waren jedoch umso beeindruckender und waren geprägt von einer Unberührtheit.
Mittlerweile hatte sich die Sonne gegen die Nachtkälte erfolgreich durchgesetzt, der letzte steile Anstieg auf den Gipfel ließ auch das restliche Kältegefühl verschwinden.
Gegen 07,30 Uhr verließen wir unseren letzen Gipfel in Richtung Blekova-Alm, die wir gegen 9 Uhr erreichten. Mit zunehmender Tagestemperatur kehrte auch langsam aber sicher eine gewisse Müdigkeit ein, der Abstieg von der Blekova-Alm war zwar zäh, wurde jedoch begleitet vom Jäger- und Sammlertrieb abgelenkt. Und so kamen wir gegen Mittag in Susalitsch an, wo Heinz uns wieder abholte.
Eine schöne, lange Geschichte, die an dieser Stelle noch einen würdigen Abschluss verlangt:
Als Gott die Erde erschuf, das Land, die Berge, die Seen und die Tiere, hatte er am Abend noch eine große Portion „Schönheit” übrig. Diese „Schönheit” setzte er ganz gezielt und im üppigen Maße in ein kleines Fleckchen auf dieser Erde ein. Und dieses mit „Schönheit” übersättigte Land durfte ich in den zwei Tagen in den Bergen der Karnischen Alpen sehen, fern von Zivilisation und Selbstverständlichkeit.
Vielleicht sollte man den zur Selbstverständlichkeit gewordenen Dingen, wie Sonnenuntergang, Sonnenaufgang, natürlich auch Kopfkissen, Matratze und warme Decke, wieder mehr Bedeutung schenken. Und nicht zuletzt auch den nächtlichen Einsatz einer Heerschar von Rettern würdigen, die unermüdlich jeden (auch vermeintlich) in Not geratenen zu Hilfe eilen.