von Sabine Krug
Ein halbes Jahr lang lag mir meine Tochter in den Ohren:” Dieses Jahr will ich aber auch mit auf einen Nachtausritt!” Doch da ich nicht wusste, ob Hansi eine 12-jährige mit in die stockdunkle Nacht nehmen würde, hab ich mal vorsichtshalber keine Zusage gemacht. Dementsprechend dauerte die Quengelei, bis zu dem Tag, an dem die erlösende Nachricht kam: Ronja durfte wählen, ob sie noch einmal einen „normalen”, sprich Ausritt am Tag, oder einen Nachtritt machen wollte.
Die Antwort war klar. So ging es denn im Anschluss an ein Fußballspiel los. Abendessen fiel mangels Zeit aus, aber was bedeutet schon Nahrungsaufnahme, wenn es in tiefster Dunkelheit auf dem Pferderücken in den Wald geht!
Schnell waren die Pferde geputzt und gesattelt und es ging los. Der Halbmond stand am sternenklaren Himmel und so war es zu Beginn gar nicht sooo dunkel. Am Auslauf vorbei und zunächst auf dem Weg Richtung Bleiberg war alles noch in Butter. Dann jedoch bogen wir auf eine Wiese ab und die Kühe auf der Nachbarweide wurden neugierig, wer da nachts vorbeilief. Sie kamen im Galopp an, eine von ihnen mit bimmelnder Glocke, und das wiederum fanden die Pferde nicht ganz so lustig. Was Santo machte weiß ich nicht, aber Lenzo drängelte stark vom Weg ab und aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, dass auch Bingo trippelte und unruhig den Kopf hochwarf. Oh je. Das erste Mal überhaupt wurde es mir auf einem von Mikls Pferden mulmig, wobei es mir mehr um meine Tochter, als um mich selbst ging. Doch was mir in dem Moment wie lange Minuten vorkam, war in wenigen Sekunden vorbei, wir ließen die Rindviecher hinter uns. Viel Zeit zum Durchatmen blieb aber nicht, denn wir verließen nun die Wiese und tauchten auf immer noch kribbeligen Pferden in den Wald ein. Wow. Das ist als ob jemand das Licht ausknippst. Zu Anfang war ich noch leicht verkrampft, doch dann begannen meine Augen sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Obwohl man nicht wirklich etwas sieht, erahnt man doch so Manches. Im Schritt ging es immer weiter durch den Wald, an der Polana vorbei, und dann den Berg runter. Wie schon im vergangenen Jahr, machte sich eine seltsame Stimmung bei mir breit. Das Augenlicht ausgeschaltet, beginnt man in die Nacht zu lauschen; das Knarren des Sattels dringt regelrecht störend laut durch die Dunkelheit. (Nein Hansi, deshalb reite ich noch lange nicht im nächsten Jahr ohne Sattel!).Jede Bewegung der Pferde nimmt man viel deutlicher wahr, ob es bergab oderbergauf geht, spürt man viel deutlicher.
Glühwürmchen leuchteten am Wegrand auf, gibt’s die in Deutschland überhaupt noch?
Unten angekommen ritten wir auf dem Gelände des Jugendcamps.
Auf dem ebenem Weg bot uns Hansi den ersten “versammelten” Galopp an. Begeistert stimmten wir zu und im Stillen schmunzelte ich über Hansis Aussage. Ob er überhaupt weiß, wie man „versammelt” buchstabiert? Schon preschte er davon und das erste Mal trabte Lenzo erst an, bevor er in den Galopp wechselte.”Ist ja halb so wild” dachte ich. Am Waldrand entlang war es nicht sehr dunkel, ich konnte Hansi vor mir auf Santo gut erkennen und so viel anders als am Tag war es gar nicht. Doch der Aha-Effekt kam bald. Der Weg führte plötzlich in den Wald hinein und wieder war es auf einmal stockdunkel. Irritiert verspürte ich zum ersten Mal das Bedürfnis Lenzo zu bremsen, Hilfe, ich kannte doch die Strecke gar nicht, geht’s hier vielleicht gleich bergauf oder- noch schlimmer- bergab?
Ich war versucht, Lenzo nach links zu lenken(wo ich meinte den Weg zu erkennen), doch dieser drängte nach rechts. O.k., der weiß, wo´s langgeht, vernünftigerweise ließ ich ihm den Willen. Ist es im Schritt schon seltsam, sich total aufs Pferd zu verlassen, wurde mir im Galopp doch ganz anders. Einige Male führte der Weg aus dem Wald heraus und wieder hinein und allmählich fand ich Gefallen an der Sache, zudem Hansi dieses Mal wirklich etwas ruhiger galoppierte. Atemlos parierten wir durch. Zu meinem Erstaunen war Ronja auf Bingo direkt hinter mir, kein Abstand, wie sonst tagsüber. Ein Stück ging es im Schritt über einen Asphaltweg, doch als ich schon gerade dachte “Zeit zum Durchschnaufen”, bog Hansi von Weg ab in eine Wiese. Aber dann konnten wir Kärntens Nacht wirklich genießen. Die Pferde grasten, wir bestaunten den großen Wagen am Sternenhimmel und in der Nähe bellte irgendetwas heiser. Ein Rehbock, wie Hansi uns erklärte. Genuss pur! Am liebsten hätte ich noch stundenlang auf den grasenden Pferden die laue Abendluft genossen.
Insgesamt dreimal sind wir in dieser Nacht galoppiert, beim letzten Mal bog Hansi zum Schluss scharf ab und ich dachte „oh nein jetzt geht’s doch im Galopp den Berg im Wald hoch!”, doch er bremste gerade noch ab. Im Schritt ging es Richtung Heimat, ab und zu hörte ich Hansi etwas sagen, ohne es zu verstehen und während ich noch überlegte, ob das wohl wichtig genug war, um nachzuhaken, spürte ich auch schon Äste im Gesicht. Doch meistens war es mehr ein Streicheln von Blättern, und ich konnte Ronja wenigstens vorwarnen. Der Berg führte ganz schön steil aufwärts und diesmal übertönte das Schnaufen der Pferde alles andere. Irgendwann war der Weg wieder bekannt, und dieser abenteuerliche Ritt ging leider viel zu schnell zu Ende. Zuhause saßen Ronja und ich noch einige Zeit total aufgedreht in der Küche zusammen, futterten Schokolade (das ausgefallene Abendessen musste ja kompensiert werden) und quasselten über das Erlebte.
Auf alle Fälle würden wir uns riesig über eine Wiederholung im nächsten Jahr freuen!!!!!