von Klaus Müllner
Kurze Fassung:
Atemberaubend, bombastisch, cool, diabolisch, erotisch, fantastisch, gigantisch, heroisch, imposant, jung, kalt, lebenslustig, mikl, normal, optimal, perfekt, quo vadis, riesig, steil, total, unglaublich, vital, wild, xxxl, you too.
Lange Fassung:
Tiger schaffte es nicht bis zur A2. Kurz vor dem Autobahnkreuz Villach schlummerte er friedlich mit Bär im Arm ein. Die sensationelle Kulisse von Österreich, genauer gesagt, von Kärnten zog an uns vorbei. Die warme rotorange Beleuchtung aus Westen macht die Fahrt zu einem Hollywoodfilm der Extraklasse. Die Ausfahrten Klagenfurt, Graz und Sinablkirchen zeigten das kommende Ende der Reise an. Kurz vor dem Erreichen der Thermenlinie schnitt ein Skalpell die Umrisse des Schneeberges, dem ersten Berg der Alpen über 2000 m, in den Horizont. Die Heimat hatte uns wieder.
Tage später sah ich mir die Bilder MIKL 2007 an. Eigentlich waren es die Filme. Traktorfahrt, Fußball, Rusty. Erinnerungen erhellten sich. Es waren ganz spezielle Bilder. Von mehreren, unterschiedlichen und bunt zusammen gewürfelten Personen, Wanderern, Naturliebhabern und Leidensgenossen. Alle Fünf wollten eine Nacht auf dem Mittagskogel erleben. Nur im Schlafsack. Ein Abenteuer?
Ein Rückblick in das Jahr 2006. Nach einer Mittagskogelwanderung der klassischen Art im Konvoi mit mehreren Teilnehmern und Auf- und Abstieg an einem Tag, plauderten die erfolgreichen Erklimmer bei einen der vielen gemütlichen Grillabende bei Mikls mit Nürnberger Grillwürstel und Hirter Märzen über weitere Taten. Ein bisschen kuscheliger, ja intimer sollte es werden. Mit einer kleinen Mützung auf dem Berg…
Zurück ins aktuelle Jahr 2007.
Am Vorabend waren noch viele dabei. Männer und Frauen. Hoppla. Frauen und Männer. Wir gehen auf den Mittagskogel. Die Zahl der Teilnehmer schwankte zwischen drei und einer zweistelligen Zahl. Alle wollten dabei sein.
An dem Tag, an dem der Affe ins Wasser springen sollte und auch sprang, war die Gruppe auf fünf Männer geschmolzen. Nur Männer. Hansi, Christian, Andi, Harald und Klaus. Falsche Ausrüstung, Migräne, weibliche Indisposition, schlechte Schuhe, fehlender Rucksack, zu erwartende Kälte usw. ließen die visionären Strapazen für einige angekündigte Teilnehmer(innen) im imaginären Dunst entschwinden.
Die Anfahrt war bequem. Im luxuriösen MPV (er wird langsam vom geduldeten Chauffeur akzeptiert) fuhren wir wie Cobra Agenten beim Papstbesuch in die Berge. Der Schranken lässt die Limousine einparken. Die Rucksäcke werden verteilt und mit schnellen Schritten entschwinden Hansi und Christian am Horizont (hinter der nächsten Kurve des Güterweges). Kurvig, stetig und sachte schlängelt sich die Autobahn bergauf. Die warmen Strahlen der Nachmittagsonne beleuchten den ab und zu vorblitzenden Mittagskogel. Das Objekt der Begierde. Vier Stunden später wollen wir beim Gipfelkreuz den fulminanten Rundumblick genießen. Doch noch gilt es in der Falllinie entgegen der Schwerkraft zu bestehen. Der späte Nachmittag ist hilfreich die Transpiration in Grenzen zu halten. Lange, sehr lange ist der Weg hinauf bis zur Grenze. Meist schreiten wir dem kürzesten Weg des Wassers entgegen, dann kurz einer Isohypse entlang um anschließend gleich wieder senkrecht nach oben zu pfeilen. Der Weg zum kleinen Mittagskogel ist dagegen wie der Wandertag im Beatrixheim (für nicht Perchtoldsdorfer das Altersheim). Dort treffen wir Hansi und Christian staubtrocken wieder. Bei der Rast schweift der Blick ehrfurchtsvoll auf die Westwand mit der Frage: Wo geht Mann da hinauf? Eingeborene zeigen vage und undeutlich in ein Gewirr aus Steinen und Geröll: Dort!! Nach kurzer Pause und mit Energiezufuhr folgen sehr erlesene Passagen mit Tiefblicken in unterschiedliche Länder mit gleichen historischen Wurzeln. Ein Sattel mit Seilhilfe beendet den Weg, der so kurzweilig war und nicht so schnell enden sollte. Doch er endet hier abrupt. In Schlangenform oder in der Direktissima, fast immer das Gipfelkreuz vor Augen, geht man wie Hillary in den 50er Jahren in Richtung Gipfel. Oft sieht man blaue Kreise oder gelb-schwarze Quadrate, der Puls pendelt sich bei 180 ein. Ab und zu denkt man an seine Lieben zu Hause. Das Licht wird immer wärmer und die Schatten, wenn sie könnten, immer länger.
Kurz vor Ende der ZIB 1 erreiche ich dehydriert, durchgeschwitzt und hungrig das kleine Gipfelplateau. Die Sonne sagt uns soeben Gute Nacht und meldet sich für die nächsten acht Stunden ab. Hektische Telefonate folgen, ob ja auch sicher das angekündigte Feuerwerk steigen würde. Und wie es steigen wird. Am Berg wird es langsam dunkel. Pünktlich wie der Linienbus von Scheibs nach Ebergassing wird um 21:15 das Jahrhundertspektakel unter dem Gejaule der Alpinisten abgefackelt. Es waren schaurig-schöne, erfrischend-sentimentale, freudig-nachdenkliche und einfach unglaubliche Momente über 2000 m. Mit Taschenlampen oder auch ohne schlichen wir zu den vorbereiteten Schlafsäcken zurück. Kühle angenehme Feuchte schlug uns entgegen. Die Liegemulden entpuppten sich als wahre Kokons der Berge. Es wurde immer feuchter und kühler, aber die unendliche Decke des Sternenhimmels und der Milchstrasse deckte uns zu. Noch einmal schweifte der Blick über das Lichtermeer des Tales. Gute Nacht.
Als mir der Wecker um 05:30 den neuen Tag ankündigt glaube ich nicht geschlafen zu haben. Laute, oft unanständige Geräusche der Gipfelplateaubelegschaft, ließen die Nacht zu einem akustischen Ohrenschmaus mutieren. Doch jetzt hatte ich andere Probleme. Eigentlich keine Probleme. Die nächste Stunde ließ alles, was gestern war vergessen. Nur für diese Stunde hat es sich gelohnt. Alle Anstrengungen hätten noch größer sein können. Aber nicht viel größer. Langsam und doch rasend schnell wurde aus dem Silberstreif am Horizont ein helles gelbes, und dann vom hellen bis ins dunkle Blau hineinverlaufendes Band. Die Wolken steigerten es zu einer Gesamtkomposition. Schurli Danzer: „Los mi no amoi de Sun aufgehn sehn”. Viel zu schnell war dieser Augenzwinker vorbei.
Fast gleichzeitig und wortlos begannen die ausgefrorenen Körper alles wieder einzupacken. Jeder war mit sich beschäftigt. Auf ein geheimes und nicht sicht oder hörbares Zeichen von Hansi begann der Abstieg. Schritt für Schritt, nur schneller. Die Westseite des Mittagskogels liegt im Schatten, nur der Kleine Mittagskogel zeigt sich schon von seiner schönsten Seite.
Das Frühstück wird auf klassischen Heurigenbänkerln an der Grenze war fast skurril. Von hier aus ist der Abstieg nur halb so anstrengend wie der gestrige Aufstieg.
09:00 „Ihr seid schon wieder da ?”. Der Kaffee ist noch warm. Viel Milch und Zucker, wie immer. Die heile Welt hat uns wieder.