(UN)VERGÄNGLICHE INSELPARADIESE (1875/2018)

Zeitreisen mit Toten, Teil II

(mit Rudolf Waizer auf der Faaker-See-Insel)

(von Hansi Mikl)

Das rasante Inslandziehen der Jahre sollte man besser nicht auf die leichte Schulter nehmen und Ideen umsetzen, ehe sie in der Schublade verschwinden, um dort Staub zu fangen und in weiterer Folge irgendwann vergessen zu werden. Während ich viel zu häufig unter latentem Zeitmangel leide, hat Rudolf Waizer absolut keinen Stress mehr, denn er ist schon seit dem 8. Dezember 1897 tot und wird die ewige Ruhe für einen Quervergleich zur Gegenwart des Jahres 2018 kurz unterbrechen. Seit ich mich mit der eigenen Sterblichkeit arrangiert habe, bin ich gerne mit Toten unterwegs, um deren Vergangenheit meiner Gegenwart gegenüberzustellen. Nachdem ich im September 2017 mit Anton von Rauschenfels richtig kläglich im ersten Ansatz am vermeintlich einfachen Entern der Faaker-See-Insel gescheitert bin, werde ich im Mai 2018 einen neuen Anlauf wagen, diesmal hoffentlich etwas zielführender und zur Abwechslung eben mit Rudolf Waizer, der das bewaldete Eiland im Sommer des Jahres 1875 besucht hat. Die besagte Insel, – mit gut 80.000 Quadratmetern übrigens recht geräumig- welche den Faaker See neben seiner türkisblauen Farbe und dem kulissenhaften Bergpanorama zu einem ganz besonderen Blickfang macht, wird garantiert schon seit ewigen Zeiten mehr oder weniger erfolgreich von Menschen angesteuert. Rudolf beschreibt mit gutgemeinten Verbesserungsvorschlägen und ziemlich konkreten Zukunftsvisionen den einstigen Ist-Zustand der gemütlich-beschaulichen Anfangstage in den Kinderschuhen des Fremdenverkehrs ebendort und ich werde mir aufmerksam ansehen, was bald 150 Jahre später daraus geworden ist.

 

Rudolf 1875:

„Nicht so wie gewisse moderne Touristen, die, um eine Gegend gut zu sehen, dieselbe im Buche lesend durchgehen, verließ ich jüngst das Bahncoupe in Föderlach, eine Station an der Linie Klagenfurt-Villach, um in Gottes freier Natur den Staub der Akten von dem Rücken zu schütteln. Gegen Süden an der Straße dem Dörfchen Föderlach zuschreitend, sprachen ich und ein Reisegenosse, der sich zu mir gesellt hatte, im Gasthause des Herrn Glaser zu, der uns freundlich willkommen hieß und uns einen Morgenimbiß – ein exquisites Bockfleisch mit Kartoffeln – vorsetzte, der uns Leib und Seele stärkte und gar weidlich mundete.

Nach kurzem Aufenthalt gings weiter über die Drau, die durch die Gegend ihre grauen Fluthen wälzt, und von da gegen Südwesten durch grünendes Flachland und obstbaureiche Tristen dem Dörfchen Bogenfeld entgegen, von wo aus der Weg in kleiner Steigung in die Höhe leitet, und von wo aus man bald den lieblichen Faaker See erreicht. In dreiviertel Stunden von Föderlach aus erreicht man das Gestade der hellgrünen Wasserfläche, dem eine hehre Staffage einen ganz besonderen Reiz verleiht“.

 

Hansi 2018:

„Nicht so wie gewisse moderne Touristen, die, um eine Gegend gut zu sehen, dieselbe gnadenlos mit dem Smartphone niederschießen, und sie mitsamt der eigenen grinsenden Selfie-Visage auf Facebook, Twitter oder Instagram posten, stopfe ich am einstweilen noch wolkenverhangenen Pfingstmontagmorgen meine Kurzurlaubstasche hastig mit Taschenbuch, Kamera, Tennisschuhen und Tennisracket voll, um mit Dir, Ines und Nasti ausgiebig die Faaker-See-Insel zu erkunden. Der Mai hat bitterlich geweint, heute trocknet er zwischenzeitlich seine Tränen und verspricht zur Abwechslung etwas Sonne. Rechtzeitig schon wurden 45 Euro pro Kopf und Nase in einen eintägigen „Insel-Urlaub“ investiert, welcher zu einem reichhaltigen Frühstücksbuffet lädt, zum Eintritt ins altehrwürdige Strandbad berechtigt, außerdem eine hölzerne und höhenverstellbare Strandliege mit einer dazugehörigen Strandtasche –befüllt mit Badetuch und Bademantel- inkludiert, eine Doppelstunde auf den hoteleigenen, roten Sandplätzen zur Verfügung stellt und zur finalen  Erholung davon einen Fitnessraum und eine Sauna anpreist. Voila, die Anreise ist mit fünf Minuten im blauen Citroen kurz und komfortabel und endet direkt an der Bootsanlegestelle des Insel-Hotels in der Südwestecke des Sees“.

 

Rudolf 1875:

„Fast in der Mitte des Sees liegt ein liebliches Eiland, auf das uns ein gutmüthiger windischer Charon gegen Erlag der Schiffertaxe per 10 Kronen hinüberleitet. Sanft streicht das kleine Schifflein durch die Wellen, und gar bald erreicht es das grüne Ufer der Insel. Auf derselben winkt uns ein Försterhaus zur freundlichen Einkehr, und ein schattiger Hain verbreitet auf derselben seinen kühlenden Schatten. Das ist ein Plätzchen wie geschaffen zur stillen Zurückgezogenheit. Drum wer ferne vom wogenden Treiben überfüllter Vergnügungsorte, aber in stetem Kontakt mit der herrlichen Natur und deren unerforschlicher Mannigfaltigkeit, in einer Idylle sein Sein verbringen will, der eile hierher und genieße der Fülle an Naturschönheiten in vollen mächtigen Zügen“.

 

Hansi 2018:

Auf dem Weg zur Insel

„Das liebliche Eiland liegt noch immer unverändert quasi im Mittelpunkt des türkisen Sees. Der Wassertaxi-Kapitän heißt Jovo, stammt aus Kroatien, Bosnien oder Serbien (schwer herauszuhören), er kennt die Strecke in- und auswendig und könnte sie bestimmt auch mit verbundenen Augen bewältigen. Die Schiffertaxe ist im Preis des „Insel-Urlaubs“ inbegriffen und nach nur wenigen Minuten sanfter, motorisierter Seefahrt stehen wir auch schon sicher und erwartungfroh auf dem Landungssteg der Insel. Dein bescheidenes Försterhäuschen von 1875 ist in wohl mehreren Baustufen einer immerhin nicht überdimesionierten Hotelanlage gewichen, die es sich durchaus romantisch in einer gepflegten Parklandschaft mit Rasenflächen und Blumenrabatten bequem gemacht hat. Das Interieur ist vielleicht ein wenig in die Jahre gekommen und versprüht authentisch den Charme der 60er, 70er und 80er, was penible Luxus-Konsumenten möglicherweise zum Rümpfen der Nase motivieren könnte, in mir aber erfreuliche, nostalgische Gefühle auslöst. „Hotel California“ klingt ja mit seinem XXL-Gitarrensolo auch nicht eingestaubt. Außerdem: Das vermeintliche Stehenbleiben der Zeit ist ein intelligenter Gegenentwurf zur allgemeinen Rast- und Ruhelosigkeit der „Generation Smartphone“, kann tatsächlich extrem charmant sein und benötigt dafür legitime und vor allem sichtbare Ausdrucksmittel. Über helle Sandwege erreicht man eine große Linde, die den Gebäuden breitkronigen grünen Schatten spendet. Die Sitzgarnituren darunter sind zu früher Stunde und nach einer feuchten Periode noch menschenleer und die alten Fotos im Rezeptionsbereich beweisen lange Tradition im wortlosen Erzählen von Geschichten aus längst vergangenen Tagen. Der Andrang hält sich in Grenzen, eine Schlacht findet am umfangreichen Frühstücksbuffet in Ermangelung von konkurrenzfähiger Gegnerschaft gar nicht erst statt. Die wenigen und noch dazu müden Anwesenden sind nach einem wahrscheinlich rauschenden Hochzeitswochende noch ziemlich lethargisch und wissen den herrlichen Ausblick von der Terrasse ins schimmernde Türkisblau des Sees offensichtlich nicht zu schätzen, was den souverän servierenden Königspinguin aber nicht daran hindert, mir in aller Seelenruhe und als willkommene Zugabe zwei herrliche, schinkenbegleitete Spiegeleier zu kredenzen. Ines und Nasti bügeln derweil in langen Gesprächen an privaten Unebenheiten herum, ohne sie wirklich planieren zu können. Zu dieser Jahreszeit und dieser Wetterlage ist dieses Plätzchen also noch immer wie geschaffen zur stillen Zurückgezogenheit“.

 

Rudolf 1875:

„Nicht leicht ein See hat eine so reizende Lage, eine so pittoreske Umgebung, als der Faaker See. Ich möchte sagen wie eingebettet ins Herz der Berge liegt derselbe vor dir. Als südlicher Grenzwächter staut seine pyramidenförmige Kuppe, der Mittagskogel, 6762 Fuß in die Höhe. Von den Felsvorsprüngen in dessen Mittellage grüßt das spitze Kirchthürmlein von St. Kanzian, und wie ein Trauerflor hängt sich der Schatten an die romantischen Ruinen des einst so mächtigen Schlosses Finkenstein. Weiter gegen Osten weitet sich das Thal, indeß gegen Westen die ausichtsreiche Villacheralpe (6814 Fuß) den Wanderer zum Besuche einladet. Im fernen Norden dehnt sich der südliche Abhang der dunkelgrauen Görlitzen (6090 Fuß), indeß uns in nächster Nähe das Dörfchen Faak sein Willkommen entgegensendet“.

 

Hansi 2018:

„An der reizenden Lage des Sees und der wesentlichen Hardware des Panoramas hat sich gar nicht so viel verändert. Dem Mittagskogel, dem Dobratsch und der Gerlitzen konnte die alltägliche Erosion nur unmerklich zusetzen, lediglich die Wälder an den Berghängen sehen im Zuge des Klimawandels zunehmend etwas zerzaust aus. Die Uferzonen des Sees und die umgebenden Dörfer hingegen kann man wohl kaum mehr als pittoresk bezeichnen. Es sei denn, man verharmlost das völlige Baustilchaos aus Bade- und Wochenendhäusern, Strandbädern, Hotels, Eigentumswohnungs-Trutzburgen und Einfamilienhäusern und die leider weiter fortschreitende und zunehmend irreversible Zerstörung des einst so harmonischen Landschaftsbildes und redet sich tapfer ein, all dies wäre notwendig und nicht zu verhindern. Die ursprüngliche Schönheit ist nur mehr in den geschützten bzw. nicht bebaubaren Schilfbereichen an der Westseite des Faaker Sees zu erahnen“.

 

Rudolf 1875:

„See und Insel sind ein Eigenthum des Fürsten Liechtenstein. Die Insel selbst, an und für sich betrachtet, ist ein mehrere Joch umfassendes reizendes Stück Erde, auf welcher gejagt und geackert wird, und allwo sich eine Förster- oder Fischerfamilie im Auftrage des Dienstherrn angesessen hat und die Kulturen bearbeitet. Das ebenerdige Häuschen, vor dem einige Zwetschgenbäume und ein Salzburger Birnbaum stehen und im Herbste saftige Früchte spenden, ist eben groß genug für die Familie, die ankommenden Besuchern des Sees gegen geringes Entgelt Backhühner, Kaffee, Milch und einen leidlichen Wein verabfolgt“.

 

Hansi 2018:

„Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben der See und seine Insel die Menschen zu allen Zeiten in ihren Bann gezogen. Jungsteinzeitliche Funde aus der unmittelbaren Umgebung vom Wauberg und Kanzianiberg sind deutliche Indizien, römische Insel-Artefakte sprechen für ein paradiesisch gelegenes Heiligtum. Spätestens ab dem Frühmittelalter ist der See im Besitz der nahegelegenen Burg Wartberg bzw. der Herrschaft Rosegg, die ab 1831 von den Fürsten Liechtenstein übernommen wird. Zu den vermutlich kapitalsten Fehleinschätzungen dieses Landadels zählt dann der Verkauf des Faaker Sees und seiner Insel im Jahre 1918 an einen Verwandten des Philosophen Wittgenstein, dessen Nachfolgern es aber zweifellos gelungen ist, die touristische Nutzung der Insel behutsam-überschaubar voranzutreiben und das Eiland in seiner natürlichen Einzigartigkeit auch für kommende Generationen zu erhalten. Anstelle von landwirtschaftlichen Kulturen werden jetzt halt maximal 70 Betten und deren Insassen bearbeitet, geackert wird auf den Tennisplätzen und gejagt werden höchstens noch Schürzen, schwarze Zahlen oder lohnende Fotomotive“.

 

Rudolf 1875:

„Als ich ankam, sprang gerade ein circa zweijähriges Bübel, einzig und allein nur mit einem Hemdchen bekleidet, vor dem Hause herum und reicht mir ganz ungenirt seine beide Händchen zum Willkommensgruße entgegen. Die Hitze des Tages machte sich mit aller Dämmigkeit geltend und erregt in uns den Wunsch eines Badgenusses. Am südlichen Gestade der Insel unfern des Hauses, steht das hölzerne Fragment einer Bedekabine, die eben nur den Beweis liefert, daß hier einmal eine derartige Hütte gestanden hat. Nach nicht allzulangen Federlesens hatten wir die adamitische Tracht angezogen und badeten in den Wellen des lauwarmen Wassers. Nach eingenommenem Bade betrachteten wir nochmals die Bruchstücke des halb zerfallenen Badehauses, dessen noch stehende Bretterwand an der Innenseite mit allerlei poetischen und nichtpoetischen Sentenzen angekritzelt war, unter denen der Knittelreim:

„O wüßtest Du, Fürst Lichtenstein,

Wie hier lustig ist zu baden !

Du würdest ungesäumt –

Eine neue Hütte lassen machen von – Laden“….

….gewiß auf einiger Wahrheit basirt, und in welchen Klageruf auch wir aus ganzer Seele einstimmten“.

 

Hansi, 2018:

Badehaus und Strandleben in den 1930er Jahren

„Na ja, große Poesie klingt dann doch ganz anders, kleine Tragödien in diesem Umfang erfordern keine Klagerufe, schon gar nicht aus ganzer Seele, und die durchgelockerten Willkommensgepflogenheiten haben sich in der Zwischenzeit offenbar ein wenig geändert: Die junge Rezeptionistin empfängt uns weder in „evamitischer“ Tracht, noch ist sie um diese Uhrzeit und unter diesen Umständen nur einzig und allein mit einem Hemdchen bekleidet, sie überbringt aber zumindest freundlich und mit einer Geste des Bedauerns die traurige Nachricht, dass die Sandplätze leider noch nicht bespielbar sind. Das erspart Nasti zwei mühsame Stunden und degradiert das mitgebrachte Equipment zu reinen Dekorationsobjekten. Das Leben geht trotzdem weiter und wir folgen Dir unauffällig zum gepflegten Strand, der fast unverändert auf eine lange Badekulturgeschichte zurückblicken kann und der an den südlichen Gestaden der Inselanatomie wegen stationär geblieben ist. Deine ganzseelischen Klagerufe haben hier zweifellos und vollinhaltlich Gehör gefunden – die fragmentarische Bretterbaracke des Fürsten wurde opulent durch ein wunderschönes, jugendstilartiges und geräumiges hölzernes Strandhaus ersetzt, welches mittlerweile seit gut 100 Jahren in Würde gealtert, stabil und herrlich retro seinen Zweck erfüllt und deshalb verdientermaßen längst unter Denkmalschutz steht. Alte Badehäuser verströmen eine besondere Aura und einen ganz spezifischen Geruch, der zeitlos ist und eindeutige Botschaften transportiert: Sommer, Sonne, See !!!

Badefreuden in den Anfangszeiten

Obwohl sich die Sonne immer wieder tapfer durch die Wolken kämpft, bleibt der Strandbereich den ganzen Tag über praktisch unberührt, lediglich Ines, Nasti und ich nützen den Komfort der Holzliegen, um praktisch ungestört die Ruhe und das Sein zu genießen. Zum ungestörten Lesen hingegen verziehe ich mich mit meinem Taschenbuch in die oberste Etage des Badehauses in eine reizende kleine Veranda mit Tisch, Stuhl und exklusiver Aussicht. Dort wird das dicke Buch ruckzuck dünner. Die Damen verschwinden zwischenzeitlich wellnessend in der Sauna und danach nässend, kurz und quietschend im See, um diesen allerdings erstaunlich schnell wieder zu verlassen. Die noch ziemlich erfrischenden, alles andere als lauwarmen 18 Grad erregen in mir ganz sicher nicht den unmittelbaren Wunsch eines Badgenusses und so bleibt es mir erspart, in die weiblichen Klagerufe aus ganzer Seele miteinstimmen zu müssen. Ein breites Grinsen tut´s eigentlich auch.

Bei 18 Grad Wassertemperatur ist der Andrang überschaubar

Rudolf 1875:

„Überhaupt fehlt im großen Ganzen der ganzen Lokalität des Inselraumes eine ordnende und schaffende Hand. Würden im Bosquet des Eilandes labyrinthische Wege angelegt, würde eine kleine Blumen- und Parkkulrur gezogen werden, und würde überhaupt für den Komfort der so zahlreich kommenden Besucher dieses lieblichen Erdenwinkels durch Errichtung einer Restauration und eines Badehauses gesorgt werden, gewiß würde der Schaffer all dieser Wünsche seine beste Rechnung und auch seine eigene Freude daran finden“.

 

Hansi 2018:

„So wie es aussieht, wurden Deine Vorschläge praktisch zur Gänze umgesetzt, ohne dabei mit andauerndem Profitdenken oder zeitgeistigem Trend- und Aktionismus-Unsinn der Natur das Wasser abzugraben. Man kann das Eiland auf weichen Waldwegen im gesamten Uferbereich umrunden oder querfeldein den wild wuchernden Insel-Mischwald erkunden, in dem man ebenfalls weitestgehend ungestört noch viele alte Baumriesen näher kennenlernt, welche Dir damals in ihren frühen Sturm- und Drangzeiten möglicherweise schon Schatten und Trost gespendet haben.

Spaziergänge im Inselwald

Jedenfalls könntest Du hier Dein Pseudonym „Waldhorst“ noch immer in ganzer Bandbreite ausleben. Zusätzlich verzaubert der idyllische Rundgang mit stillen kleinen Buchten und sehenswerten Aussichtsplätzen, an denen sich das Türkisblau des Wassers mit den verschiedenen Grüntönen des Hintergrunds zu einem wunderbaren Gesamtbild verabredet. Mitunter wirkt die Wirklichkeit gar nicht so wirklichkeitsgetreu und das ist auch gut so, denn man könnte das dringende Bedürfnis empfinden, sowohl Füße, als auch Seele ausgiebig baumeln zu lassen.

Für domestizierte Zivilisations-Anhänger hat man die nähere Umgebung des Hotels mit der geforderten „Blumen- und Parkkultur“  und zahlreichen, meist schattigen Sitzgelegenheiten ausgestaltet. Als gelungen kann auch die erhöhte hölzerne Uferterrasse bezeichnet werden, die bequem umfangreiche Wasser- Milieu- und Landschaftsstudien erlaubt.

Ganz besonders witzig und unterhaltsam empfindet man die cartoonigen Bade- und Benimm-Anleitungen für unkultivierte oder gar analphabetische Strand-HooligansInnen, grenzgenial die exponierte Lage der Tischtennisplatte, welche ein schnelles, frustbewältigendes Abkühlen nach unglücklichen Niederlagen notfalls sogar in adamitischer Tracht ermöglicht“.

 

Rudolf 1875:

„Die Primitivität, die sich an allen Orten, die nur halbwegs abseits von den Verkehrsadern liegen, geltend macht, könnte in unserem Kärnten schon zum Ariom geworden sein. Die Leute lieben halt allzusehr ein gewisses dolce far niente, welches unser heimatlicher Lyriker, Ernst Rauscher, in seinem „Hängematten-Gedichte“ so richtig zu beschreiben weiß, als wäre er selbst ein Anhänger von dieser Gattung Kultur, der eben in dem Gefühle, systematisch nichts zu thun, seinen Kulminationspunkt findet. Würde der rege Sinn für Schaffungs- und Verwerthungs-Geist in unserm leilossianischen Volke einmal Wurzel greifen, so würde auch das Land mit seinen Herrlichkeiten, seinen Gletschern, Seen, Tristen, Alpen und Thälern dem Touristen das werden, was ihm jetzt die Schweiz ist, ja und fürwahr, es wäre unser Land dann selbst im Stande, derselben in jeder Hinsicht Konkurrenz zu machen. Darum aufgerafft aus dem Saumsalsbusel (???) und die Hände angelegt zum schaffenden Werke, welches Niemandem seinen Lohn versagen wird.

Mit diesen und ähnlichen Gedanken setzten wir uns in den Kahn und ließen uns an das westliche Ufer hinüberschiffen“.

 

Hansi 2018:

„Am Ende gehen unsere Meinungen aber dann doch noch gravierend auseinander. Der hart arbeitenden, ärmlichen Landbevölkerung des späten 19. Jahrhunderts ernsthaft Primitivität und Hängematten-Mentalität im Sinne von „systematisch nichts zu thun“ anzudichten, beweist nur völlige und geradezu erschreckende Ahnungslosigkeit aus der überhöhten Perspektive eines gutsituierten Stadtmenschen. Nach ein paar landarbeitenden Praxiswochen mit Holzrechen, Heugabel, Melkeimer, Spaltaxt, Brot, Sterz, Milch und Wasser hätten Du und der Herr Rauscher vielleicht topfit oder aber mit massiven Bandscheibenproblemen die gesellschaftlichen Ungleichheiten und andauernden Ungerechtigkeiten angeprangert und vehement und wenig lyrisch eine faire, angemessene Entlohnung der Bauern gefordert. Eigentlich hat sich an dieser bedenklichen Schieflage nicht viel geändert. Außer, dass es deshalb heute eh kaum mehr Bauern gibt und auf ihren Feldern weder Kartoffeln noch Getreide gedeihen, sondern nur mehr Einfamilienhäuser oder wenigstens Immobilienangebote für Gutbetuchte. Nicht nur da warst Du, mein lieber Waldhorst, mit deinem pseudo-lyrischen Brachial-Ministranten gewaltig auf dem Holzweg unterwegs, auch euer aufkeimender und bald schon übersteigerter Deutschnationalismus hat in weiterer Folge leider viele Anhänger gefunden und im Laufe des 20. Jahrhunderts fundamentale Katastrophen verursacht, die die kleine Welt am Faaker See und die große Welt drumherum bestimmt nicht besser gemacht haben. Und die umtriebigen lokalen und globalen „Schaffungs- und Verwerthungsgeister“ sind im Geiste des Kapitalismus mittlerweile auf allerbestem Wege, den Planeten an die Wand zu fahren. Aller empirischen Evidenz zum Trotz hält man weiterhin an Plan A fest. Weniger wäre wahrscheinlich viel mehr gewesen. Erare humanum est in der XXL-Version. Ja und fürwahr, so hat halt jede Zeit ihre Irrtümer, Totengräber, Heißluftproduzenten und Rattenfänger.

Sicher ist nur: Damals wie heute benötigt man gerade als praktizierender Nichtschwimmer unbedingt ein Boot, um diesen Ort zu verlassen und wenn ich ganz ehrlich bin, fällt mir der Abschied wesentlich schwerer als ursprünglich erwartet,…denn diese Insel ist unverändert ein Paradies, aus dem man nur ungern vertrieben wird. Mit diesen und ähnlichen Gedanken setzen wir uns schließlich in Jovos Wasserfahrzeug und lassen uns an das westliche Ufer hinüberschiffen“.