von der Messi-Trainerin Anja Rautnig
Wer führt hier wen?
Stellt euch vor ihr seid irgendwo im Wald unterwegs, an einem kalten Novembertag, und die letzten Sonnenstrahlen fallen gerade durch das Blätterdach. Die Stimmung ist ruhig, friedlich, man hat das Gefühl der Wald gehört einem ganz allein. So ging’s mir gestern. Bis auf ein paar aufgeschreckte Rehe waren Messi und ich ganz unter uns. Wir haben uns im vergangenen Jahr wirklich gut miteinander angefreundet und ich fühlte mich sehr sicher auf seinem Rücken während Messi sich vorsichtig über die feuchten Kieswege voran tastete. Das nasse Wetter der vergangenen Wochen hatte auf dem Waldboden eindeutig seine Spuren hinterlassen…
Schon nach der ersten viertel Stunde hatte ich irgendeine Abzweigung versäumt, wie mir nach längerem Weiterreiten klar wurde. Die Bäume kamen mir nicht bekannt vor. Aber naja – irgendwie schauen doch alle Bäume im Wald relativ gleich aus, oder? Vielleicht war ich also doch am rechten Weg? Also weiter. Irgendwann stieß ich dann auf die netten kleinen Holztafeln, die am Beginn von Hansis geliebter „Achterbahn”-Galoppstrecke aufgestellt sind. Da wurde mir klar, dass ich viel weiter vom Wauberg weg geritten bin, als ich vorgehabt hatte! Aber egal, dachte ich mir, so komm ich zumindest in den Genuss von einem flotten Galopp zum warm werden. So ohne Sonne begannen meine Zehen nämlich schön langsam zu frieren.
Messi verhielt sich absolut vorbildlich, wenn ich ihn zum schneller werden bewegen wollte, reichte es aus mich ein wenig nach vorn zu lehnen, beim Zurücklehnen wurde er dann wieder langsamer. Nach der Achterbahn kamen wir durch Neuegg, wo Messi die Wohnhäuser und Autos misstrauisch beäugte. Alle zwei Schritte blieb er stehen und streckte witternd die Nüstern in den Abendwind. Das Dorf war ihm eindeutig nicht geheuer. Er war ja auch noch nie allein ohne seine erfahrenen Freunde Santo oder Lenzo hier gewesen. Drum stieg ich kurzerhand ab und führte Messi durch die Straßen. „Jetzt sind wir ja quasi zu Hause”, dachte ich mir und stieg mit dem Gefühl bereits angekommen zu sein wieder auf. Wie sehr ich mich da doch irrte! Irren ist nämlich das treffende Wort – denn verirrt hatte ich mich in Null-komma-Nichts. Wo kamen da auf einmal diese ganzen Kreuzungen her? Als ich die letzten Mal mit Hansi hier war, sind er und Santo so zielstrebig voran gegangen, dass mir anscheinend nicht aufgefallen war, wie oft die Wege sich noch gabelten.
Messi und ich kämpften uns gerade einen sehr steilen Weg hoch, der mir nicht wirklich bekannt vorkam, doch in der Dunkelheit ließ sich das nicht eindeutig sagen. Da entdeckte ich plötzlich ein Holzgeländer neben dem Weg. „Oh nein!”, war das erste, was mir in den Sinn kam. Wir waren komplett falsch! Und der Weg so steil und eng, dass ich beim besten Willen nicht wusste wie Messi hier eine Drehung vollführen sollte. Aber der gelenkige Bursche schaffte das natürlich (auch wenn er dabei fast senkrecht steigen musste – wie eine Gams am Steilhang!). Vorsichtig führte ich ihn zu Fuß wieder hinunter, immer darauf bedacht sofort beiseite zu springen, wenn er auf dem glitschigen Untergrund ausrutschen sollte. Wieder unten angekommen keuchten wir beide etwas außer Puste. Aber noch hegte ich die Hoffnung auf ein schnelles Heimkommen. Wir schlugen einen anderen Weg ein. Dabei kam mir Messi ein wenig niedergeschlagen vor – ganz so als wüsste er, dass er gerade dabei war Meter umsonst hoch zu steigen, weil wir (schon wieder!) am falschen Weg ritten. Um die Steigung schneller hinter uns zu bringen ließ ich Messi hoch traben. Oben angekommen musste ich mir eingestehen, dass ich schon wieder an einer Lichtung war, die ich nicht erkannte! Verflixte Dunkelheit! Nach rechts? Oder war es doch geradeaus? Schön langsam spürte ich einen Anflug von Panik in mir hochsteigen. Es war dunkel und kalt und ich hatte keine Ahnung mehr wo ich mich befand. Die Kälte saß mir in den Knochen und Messi war erschöpft von unserer Bergziegen-Kletterei, wir wollten beide einfach nach Hause. Und da kam mir dann der Gedanke: Wenn Messi sich aussuchen könnte, wo er jetzt am ehesten hin will, dann doch sicher zu seinen Kumpels auf die Polana. Und nachdem ich als Guide ja wirklich hoffnungslos versagt hatte, fand ich es fair ihm jetzt die Chance zu geben, die Sache in die Hand bzw. Hufe zu nehmen. Ich schwöre, Messi verstand sofort worum ich ihn still schweigend bat: „Bring uns sicher heim”. Kaum dass ich ihm die Zügel locker hingegeben hatte, setzte er sich in einem ruhigen, aber zielstrebigen Tempo in Bewegung und wählte nach Gutdünken einmal eine rechte, mal eine linke Abzweigung. Ich saß einfach auf seinem Rücken und ließ mich durch die Dunkelheit tragen. Noch immer erkannte ich nichts um mich wieder. Irgendwann bog Messi überhaupt vom Weg ab und ging querfeldein. Ich ritt auf ihm, kam mir dabei aber sehr nutzlos vor. Gleichzeitig überkam mich eine Welle der Dankbarkeit, weil ich nicht allein in der Patsche saß und Messi anscheinend einen Plan hatte. Schließlich rutschten wir einen Hang hinunter, der mir dann doch ein wenig bekannt vorkam. Und tatsächlich am Fuß des Hangs begrüßte mich ein Pipeline-Pfeiler, der bezeugte, dass die Polana gleich um die Ecke lag. Ich war einfach sprachlos und unendlich dankbar. Messi hatte uns innerhalb von nicht einmal einer viertel Stunde zurück gebracht. Weiß der Kuckuck wo ich da oben herumgehirscht bin, doch Messi hatte den Weg zurück gefunden.
Da denkt man gern, man will dem Pferd dies oder das beibringen, man versucht sein Vertrauen zu gewinnen und all diese Dinge. Dabei sollte man auch bedenken, dass es mal anders herum sein kann! Messi hat sich bei diesem Ausflug auf jeden Fall mein volles Vertrauen erworben und mir (wortwörtlich) gezeigt wo’s lang geht. Nach all den Monaten des Übens und Trainierens, wo ich mir als „Menschen-Alpha” quasi sein Vertrauen erarbeitet habe, zeigte Messi mir jetzt, dass auch ich ihm vertrauen kann. Das war eine wundervolle Erfahrung und wird mir mit Sicherheit mein Leben lang im Gedächtnis bleiben!